Vielfach imitierter Hartkäse - Käsekönig Parmesan
Ob Pasta, Risotto oder Auflauf: kaum ein Gericht der italienischen Küche kommt ohne geriebenen Käse aus. Vor allem Parmesan gehört zu den unverzichtbaren Zutaten für Menschen, die gerne kochen. Der berühmte Hartkäse blickt auf eine lange Tradition zurück: Schriftliche Erwähnungen finden sich bereits im 13. Jahrhundert. Wie ist Parmesan zu seinem guten Ruf gekommen, und was unterscheidet Parmigiano Reggiano von seinem Cousin, dem Grana Padano - und vor allem von den vielen ausländischen Imitationen, über die sich italienische Hersteller so ärgern?
Schwer zu glauben, aber im Mittelalter war Käse eher etwas für Bauern. Reiche Leute bevorzugten Fleisch als Proteinquelle. Käse und Fisch haben erst größere Beachtung gefunden, als die Fastenzeit im christlichen Europa wichtiger wurde. Haltbarer Käse war allerdings meist aus Schafsmilch. Ziegenmilch musste frisch gegessen werden und sein Geschmack galt als zu streng. Kuhmilch war wiederum nicht das ganze Jahr über verfügbar, zumal Kühe vor allem für die Arbeit und als Fleischlieferantinnen gebraucht wurden.
Es deutete sich dennoch sehr bald eine Spaltung, die noch heute besteht: Parmesan vs. Pecorino. Nördlich der Apenninen war eher Kuhmilchkäse verbreitet, südlich dieser Linie eher Schafsmilchkäse.
Vom Kloster zur Hofküche
Nach und nach erreichte der edle Hartkäse auch die reiche Tafel. Parmesankäse war im 13. Jahrhundert schon namentlich bekannt: Erste schriftliche Erwähnungen finden sich schon in einem Kaufvertrag von 1254. Hergestellt wurde er vor allem in Benediktiner- und Zisterzienserklöstern: Diese verfügten in der Gegend um Parma und Reggio Emilia über große Ländereien, in denen Landwirtschaft betrieben wurde - auch dank der Flüsse, die reichlich Wasser lieferten. Auf den grünen Weiden versorgten sich die Kühe, die Arbeitstiere und Milchgeberinnen waren. Das für die Käseerstellung benötigte Salz lieferten die Salinen der benachbarten Ortschaft Salsomaggiore.
Diese günstigen Rahmenbedingungen erklären, wie sich die Parmesanherstellung in der Gegend etablieren und der Käse zu einem traditionellen Produkt werden konnte, das schon damals überregional vertrieben wurde - für teures Geld.
Giovanni Boccaccio, Autor der freizügigen Novellensammlung Decameron (ca. 1350), beschrieb Bengodi, eine Art Schlaraffenland, als Berg von geriebenem Parmesan, auf dem die Bewohner nichts anderes taten, als Makkaroni und Ravioli in Mengen herzustellen und in Kapaunenbrühe zu garen. Tatsächlich hat die Kombination Pasta und geriebener Käse im Laufe der Jahrhunderte nicht wenig zur Erfolgsgeschichte des Parmesans beigetragen.

Parmesan für die ganze Welt?
Das Rezept zur Erstellung des Parmesans hat sich seit dem Mittelalter kaum geändert: Zutaten sind Milch, Salz und Kalbslab. Geändert hat sich allerdings die Größe: Die spektakulären Laibe, die heute bis zu 40 Kilogramm wiegen, waren früher viel kleiner. Ein italienischer Historiker hat es gewagt, zu sagen, dass der Parmesan im Mittelalter wahrscheinlich eher dem Parmesan-Imitat ähnelte, das heute in den USA hergestellt wird, und hat dafür einen regelrechten Shitstorm geerntet.
Die Angst vor der Konkurrenz von Nachahmungen, die "italian sounding"-Namen tragen, blendet die Tatsache aus, dass Menschen in der Regel wissen, was sie kaufen, und dass es ohnehin unmöglich wäre, für die ganze Welt echten Parmesan herzustellen, ohne Millionen von weiteren Kühen einzuspannen und das schon prekäre ökologische Gleichgewicht der Region endgültig zu kompromittieren.
Auch das Herstellungsverfahren vom Parmesan hat sich seit dem Mittelalter nicht wesentlich geändert, selbst wenn es heute in modernen Anlagen durchgeführt wird. Die geronnene Milch wird mit einem Gerät zu einer Art Granulat verarbeitet, dann leicht erwärmt, um den Bruchkörnern das Wasser zu entziehen. Einmal die überschüssige Molke verloren, wird die Käsemasse in Formen gegeben und in Salzlake gelegt. Diese sorgt für Geschmack und Haltbarkeit.

Je älter, desto komplexer
Dann kommt die aufwändigste Phase: die Reifung in klimatisierten Lagerhallen. Hier müssen die Laibe immer wieder gepflegt, gedreht und gewendet werden. Der mildeste Parmigiano Reggiano kommt schon mit 12 Monaten in den Handel. Weitere Handelsklassen sind je nach Reifungsgrad 24, 36, 48 und 72 Monate. Je älter der Parmesan ist, umso körniger wird die Konsistenz, da der Wassergehalt sinkt. Die Aminosäure Glutamat ist für den vollmundigen sogenannten "Umami-Effekt" verantwortlich.
Ein Hersteller-Interessenverband (Consorzio del Formaggio Parmigiano Reggiano) überprüft die Qualität, bevor die gestempelten Laibe in den Handel kommen. Der Name ist marken- und herkunftsgeschützt: Es darf sich Parmesankäse nur derjenige nennen, der in einem Produktionsgebiet hergestellt wurde, der die Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena, Mantova ( nur rechts des Flusses Po) und Bologna (nur links des Flusses Reno) umfasst.
Die Kombination von homogenen landwirtschaftlichen und klimatischen Bedingungen, jahrhundertaltem Know How und einheitlichen Produktionsvorschriften sollen für höchste Qualität garantieren und die höheren Preise rechtfertigen. Hersteller, die dem Konsortium angehören und in bergigen Gebieten produzieren, werden in der Vermarktung durch die zusätzliche Bezeichnung "Prodotto di montagna" unterstützt.
Parmigiano und Grana
Der parmesanähnliche Käse, der in der Po-Ebene und am Fuß der Alpen hergestellt wird, trägt wiederum den Namen "Grana Padano", der auch durch ein entsprechendes Konsortium geschützt wird. Wer schon mal Grana gekauft hat, dem wird aufgefallen sein, dass dieser viel milder als Parmigiano Reggiano ist. Grana enthält weniger Fett, da entrahmte Milch verwendet wird. Auch wird er in der Regel nicht lange gelagert, so dass er im Geschmack milder und sahniger als Parmigiano ist. Auch die streng geregelten Produktionsvorschriften unterscheiden sich, u.a. was den Einsatz von Konservierungsmitteln betrifft: im Parmesan verboten, im Grana zugelassen.
Auch bei der Ernährung der Tiere gibt es Unterschiede: Während "Parmesan-Kühe" hauptsächlich lokales Heu erhalten, dürfen ihre Grana-Cousinen auch Silage futtern. Dies bedeutet nicht, dass Grana wertlos ist: Es ist sinnvoll, Grana oder Parmesan in der Küche zu verwenden - je nachdem, welche ihrer Eigenschaften zur Geltung kommen sollen.

Gerieben wird am Tisch
Als Appetizer, in kleinen Stückchen serviert, ist Parmesan sparsam zu portionieren, da er sehr kräftig, salzig und körnig ist. Grana ist milder und lädt dazu ein, mehr davon zu essen, kann dafür eher sättigend wirken. Als geriebener Käse ist Parmesan zwar teurer, aber ergiebiger, da er intensiver und salziger ist.
Eines haben beide Sorten gemeinsam: Man tut ihnen ein großes Unrecht, wenn man sie bereits gerieben in Tüten oder Dosen kauft. Der ranzige Geschmack hat mit dem Käse, der am Stück frisch gerieben wird, nichts mehr gemeinsam, schadet sogar dem Gericht, das er veredeln sollte. Geriebener Käse, der übrig bleibt, kann hingegen luftdicht im Tiefkühlschrank aufbewahrt werden. Das kommt aber selten vor, wenn er direkt am Tisch gerieben wird. Am besten sollte das Stück bis zum Ende auf den Tisch bleiben, denn heute wie im 15. Jahrhundert gilt der Spruch des Gastrosophen und prominenten Kochs Maestro Martino da Como: Niemals ohne Käsegeschmack im Mund den Tisch verlassen!
Elisabetta Gaddoni, rbbKultur