Çig Köfte; © Privat
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Rohe Delikatesse - Vegan wider Willen: Çig Köfte

Die rohen würzigen Bulgurfrikadellen gab es laut Überlieferung in Anatolien schon vor 4.000 Jahren. Die länglichen Klößchen bestehen aus einer schmackhaften Mischung aus Weizengrütze, Kräutern und Gewürzen und werden mit den Händen geformt, wobei das typische kantige Muster entsteht. Die Bouletten aus Bibelzeiten sind heute zu einem beliebten Imbissgericht geworden, das sich mit etwas Aufwand auch zu Hause zubereiten lässt.

Etwas Weizengrütze, Wildkräuter und das Fleisch einer gerade erlegten Gazelle sollen die Zutaten der ersten Çig Köfte gewesen sein. Mit Hilfe von Steinwerkzeugen zu einer feinen Paste gestoßen, schmeckte dieses Essen auch roh ganz passabel (çig= türkisch für "roh"). Der Mangel an Brennholz soll zur Erfindung der Çig Köfte geführt haben – so will es die Legende. Als Geburtsort gilt die Region um die Städte Şanlıurfa und Adıyaman im Südosten Anatoliens, wobei die Spezialität auch in den benachbarten Ländern bekannt und beliebt ist.

Fleischlos glücklich

Çig Köfte mit Fleisch waren allerdings schon immer etwas für reiche Leute oder für Feiertage. Im Alltag bestanden die rohen Frikadellen nur aus Bulgur, Zwiebeln, Knoblauch, scharfem Paprikagewürz, Tomaten, Zitronen, Kreuzkümmel, Koriander, Pfeffer und Salz: im Grunde wie die, die in den letzten Jahren in vielen Metropolen der Welt als der vegane Snack schlechthin gefeiert werden.

Hygienische Vorschriften haben in der Türkei den Çig Köfte mit Fleisch im Straßenverkauf den Garaus gemacht, da gehacktes rohes Fleisch anfällig für Keime ist und schnell verdirbt. So ist diese Spezialität aus Bibelzeiten unfreiwillig zum modernen veganen Gericht avanciert, wobei die dunkelrote Farbe oft zögern lässt, da sie tatsächlich so aussehen, als seien sie aus Rind- oder Lammfleisch gemacht.

Teig kneten als Männersache

Çig Köfte selbst machen lohnt sich, da die Zutaten nicht teuer sind. Die Herstellung kostet aber ziemlich viel Muskelkraft, wenn man nach Tradition die Bulgurmasse mit allen Zutaten per Hand kneten will, bis aus dem körnigen Gemisch ein homogener, cremiger Teig entsteht. In vielen Rezepten wird daher der Griff zur Küchenmaschine empfohlen, trotz der empörten Kommentare vieler traditionsbewussten Leser*innen.

So wie bei Nudelteig, ist auch das Kneten der Çig Köfte ein Ritual, wobei es heißt, dass letzteres oft von Männern übernommen wird, wenn sie in geselliger Runde zusammenkommen: Ein feuerfreies Pendant zur urmännlichen Leidenschaft für den Grill.

Çig Köfte sind ideales Fingerfood für Partys. Selbst zubereitet, kosten sie wenig Geld, werden nach eigenem Geschmack gewürzt und können im Vorfeld zubereitet werden. In Salatblättern oder Fladenbrotstreifen gewickelt, brauchen sie nicht mal Teller oder Besteck. Çig Köfte haben also das Zeug, Canapés, Käsestangen und Nudelsalat für immer aus dem kalten Büffet zu vertreiben.

Elisabetta Gaddoni, rbbKultur

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