Mairübchen-Carpaccio © Elisabetta Gaddoni
Elisabetta Gaddoni
Mairübchen-Carpaccio | Bild: Elisabetta Gaddoni

Mairübe, Maischolle und Maibowle - Wonnemonat Mai in der Küche

Der Monat Mai ist nicht besonders reich an regionalen Spezialitäten - vor allem dann, wenn das Frühlingswetter länger auf sich warten lässt. Die Stellung halten immerhin die kleine Mairübe, deren milde Schärfe beinah zu allem passt, die Maischolle, der fettfreie Plattfisch, der eigentlich ab Juli besser schmeckt, und die meist zu süße Maibowle, die nach eigenem Geschmack abgewandelt werden kann.

Rüben gehören zu den Winterwurzeln, bei deren Anblick sich viele spätestens ab Februar nach Importgemüse sehnen. Vor dem Einzug der Kartoffel waren sie allerdings eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Als Zutat für matschige Eintöpfe standen Speiserüben nicht gerade für Gourmetessen, weshalb sie in Vergessenheit geraten sind, sobald es in Europa wirtschaftlich besser lief und eine größere Vielfalt am Tisch möglich wurde.

Seit der Wiederentdeckung der regionalen Küche sind Mairübchen und ihre edleren Cousinen, die Teltower Rübchen, wieder verstärkt auf der Speisekarte vieler Restaurants zu finden.

Zu allen Kombinationen bereit

Die runden Mairübchen - ob ganz in weiß oder mit violetten Nuancen - erinnern an Radieschen und Kohlrabi, schmecken aber weniger "kohlig", eher süßlich und nur mild scharf. Ob als Rohkost im Salat, angebraten oder gedünstet, als Beilage oder Zutat für Risotto oder cremige Suppen: Mairübchen passen sich beinah zu allem an und eignen sich für vielfältige Kombinationen. Anfang März angebaut, brauchen sie bis zur Ernte nur acht Wochen: Sie gehören daher zu den wenigen Sorten Frühlingsgemüse, die in unseren Breitengraden im Freien wachsen. Das Grün enthält mehr Senföle als die Knollen und schmeckt daher schärfer. Geschmort eignet es sich hervorragend als Beilage für milden Fisch oder als Zutat für Gemüsequiches, püriert ergeben die frischen Blätter einen würzigen Pesto.

Sollten Mairübchen Mitte Mai noch nicht überall zu finden sein, hilft vielleicht, sie unter dem Namen "Navettes" zu suchen: Die französische Bezeichnung gleicht wohl ein bisschen ihr Mauerblümchen-Image aus.

Etwas mehr Fett schadet nicht

Maischollen sind die Plattfische, die schon im Mai im Nordatlantik und in der Nord- und Ostsee gefangen werden. Das heißt nicht, dass sie zu dem Zeitpunkt besonders gut schmecken würden. Die Schollen haben gerade die anstrengende Zeit des Ablaichens hinter sich: sie sind erschöpft und abgemagert. Warum werden sie trotzdem gefangen? Früher hat man sich nach dem langen Winter danach gesehnt, endlich wieder frischen Fisch zu essen. So ist die Tradition entstanden, so wie auch die Erwartung, im Monat Mai Scholle serviert zu bekommen.

Maischolle ist aus Marketinggründen in den Touristenrestaurants an der Nord- und Ostsee unverzichtbar geworden. Die Konsistenz ihres Fleisches ist zwar zart, aber der Geschmack ist in den Folgemonaten besser, wenn die Fische etwas Fett angesetzt haben. So müssen sie auch nicht traditionell unter einer Haube gebratenem Speck erstickt werden, damit der fade Eigengeschmack überspielt wird. Da Schollen ohnehin auf der Liste der gefährdeten Arten stehen, ist es besser, sich die Spezialität selten zu gönnen, dafür in der Zeit, die für den Geschmack eher förderlich ist: im Sommer oder im Frühherbst. Und dann nur puristisch in Butter gebraten oder in etwas Weißwein oder Zitronensaft gedünstet, damit ihr feiner Eigengeschmack zur Geltung kommt.

Mit oder ohne Waldmeister

Maibowle blickt auf eine lange Geschichte zurück: Sie wurde schon im Frühmittelalter in Benediktinerklostern getrunken, um "Herz und Leber" zu stärken. Waldmeister schätzten in dieser Zeit auch die Wikinger als Aromageber für Bier. Den bitteren Geschmack verdankt die Pflanze dem Stoff Cumarin, der immer wieder im Verruf kommt, gesundheitsschädlich zu sein. Die kleinen Mengen, die abgegeben werden, in dem nur die Blätter (nicht die Schnittstellen der Stängel!) eine halbe Stunde im Wein tauchen, dürften aber harmlos sein. Das Problem besteht eher darin, den richtigen Zeitpunkt für die Suche zu treffen, da Waldmeister vor der Blüte geerntet werden soll. So kaufen viele heutzutage fertigen Waldmeistersirup im Supermarkt und mischen ihn nach Geschmack mit trockenem Weißwein und halbtrockenem Sekt. Minze, Erdbeeren und Zitronenscheiben sind weitere beliebte, dekorative Zutaten.

Maibowle kann aber auch ohne Waldmeister hergestellt werden. In Frage käme zurzeit Flieder, der in diesen Tagen überall seinen Duft verströmt. Oskar Marti, der "Poet am Herd" aus der Schweiz, schwört in seinem Buch "Frühling in der Küche" auf einen Fliedersirup, der schon nach fünf Tagen "ziehen" einsatzbereit sei. Ein Schuss davon veredelt seine Maibowle, für den er allerdings nur Champagner bester Qualität verwendet.

Elisabetta Gaddoni, rbbKultur

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