Michelberger Restaurant © Thomas Platt
Bild: Thomas Platt

Zutatenorientiere Küche in Berlin-Friedrichshain - "Michelberger Restaurant"

Bewertung:

Das "Michelberger Restaurant" gehört zu jenen Einrichtungen, die auf die Qualität der Zutaten allergrößten Wert zu legen scheinen. Eine ökologisch ausgerichtete Farm bei Naundorf im Spreewald ist die Quelle vieler Grundstoffe - oder der "Nahrungswald" in den Worten des Hauses. Das führt zu viel Gemüse und Salat. Nicht nur, weil so manches davon noch ziemlich naturbelassen auf die lang gestreckten Tische kommt, kann man hier von zurückhaltenden Leistungen am Herd sprechen. Stilistisch herrscht ein unbekümmerter Eklektizismus vor.

Bis vor kurzem lag es noch es im Trend, regionale Grundstoffe höher zu bewerten als ihre Verarbeitung in der Küche. Die Frische der Produkte einmal vorausgesetzt, sprechen für das "Michelberger" - vor allem die für größere Gesellschaften (gerade jetzt in der Zeit der Weihnachtsfeiern) gut geeigneten und dabei abwechslungsreichen Sharing Menues, eine recht einfallsreiche Patisserie und nicht zuletzt ein munterer Service. Und natürlich die urbane Lage vis-à-vis des Warschauer Bahnhofs und nahe der Oberbaumbrücke, dem Neuschwanstein von Berlin.

Michelberger Restaurant © Thomas Platt
Bild: Thomas Platt

Produkte von der eigenen Farm

Der sogenannte Hunger nach Rohstoffen, der Industrienationen schon immer attestiert wird, hat in den letzten Jahren vielleicht nicht zugenommen, jedoch zu einer vermehrten Aufmerksamkeit für die unbehandelte Materie geführt. Auch die Gastronomie ist einbezogen in diesen geschichtlichen Vorgang. In einer Reihe von modernistischen Restaurants schickten sich die Köche an, hinter die regionalen Produzenten der Ausgangsstoffe zurückzutreten – und mit ihnen die Stadt hinter das sie umgebende Land. Nunmehr schienen die Zutaten fast wichtiger als die Zubereitung.

Dies betrifft auch einen Ort, dessen Lage vis-à-vis des Warschauer Bahnhofs und nahe von Oberbaumbrücke, Wrangelkiez und der Friedrichshainer Szene urbaner kaum gelegen sein könnte.

"Die Verbindung zwischen dem lebendigen Boden und der Küche" hat man sich im Restaurant des Hotels "Michelberger" auf die Fahnen geschrieben und bezieht, so die Website, "immer mehr Produkte direkt von den regenerativen Feldern des Michelberger Farm".

Kohlrabi, Rettich - oder Gurke?

Die liegt im Spreewald und wirtschaftet nach den "Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft". Von erkennbarer Frische einmal abgesehen, ist das geschmacklich kaum zu erkennen. Der Gast ist mithin gehalten, das narrative Element in seine Wahrnehmung einbeziehen – insbesondere dann, wenn er beim höchstens halbgaren Kohlrabi das Gemüse erraten muss, es könnte ja auch Rettich sein oder Gurke. Zudem lenken eine hummusartige Creme und allerhand Körner von der genauen Bestimmung ab.

Hang zum Salat

Beim ebenfalls noch festen Blumenkohl, zerteilt in feine Röschen in einem dunklen Sud mit Zwiebeln und Chili, hat man in dieser Hinsicht keine Probleme, wenngleich sein charakteristisches Aroma nicht richtig zum Zug kommt. Wie beim Spitzkohl auch besteht ein Hang zum Salat. Handfester sind da schon die mit braunen Semmelbröseln kaschierte Grilltomate und der entschlossen geröstete Mais. Unter dem dazu gereichten, mit Parmesan bestreuten Ricottamus verbirgt sich ein Klacks geräuchertes Ketchup. Zum Glück sind die Portionen klein.

Michelberger Restaurant © Thomas Platt
Bild: Thomas Platt

Sehr viel engagierter wendet sich die Küche den Pfifferlingen zu, die auf Selleriescheiben gebettet sind. Sie haben sich vollgesogen mit umamihaltigem Saft. Bei den auf der Menü-Karte (48 Euro) vermerkten Trüffeln darf synthetisches Aroma vermutet werden. Ebenso kompetent zubereitet und kraftstrotzend ist die Tranche vom Hirsch mit weisser Bete. Unter den Desserts ragt der baskische Cheesecake mit Blaubeeren und Olivenöl hervor.

Thomas Platt, rbbKultur

Weitere Rezensionen

Mutzenbacher © Thomas Platt
Thomas Platt

Saftgulasch, Backhendl, Wiener Schnitzel & Co. - "Mutzenbacher" in Berlin-Friedrichshain

Die Speisen der alpenländischen Küchen verströmen immer eine gewisse Gemütlichkeit. Das ist auch im "Mutzenbacher" so, wo österreichische Tradition ohne Umschweife gepflegt wird. Doch seine Atmosphäre und das Terrain ringsum haben so gar nichts Treusorgendes oder vielleicht sogar Biederes an sich. Von diesem Widerspruch, der vom Beinamen "Schnitzelpuff" auf den Begriff gebracht wird, bezieht die allabendliche Veranstaltung erheblichen Reiz. Zwischen den avanciert urbanen Szenen von Friedrichshain und Kreuzberg gelegen, behauptet sich dieses besondere Wirtshaus aus eigenem Recht.

Irischer Boxty © imago images/ agefotostock
imago images/ agefotostock

ARD-Kinderradionacht - Kartoffelheld:innen

Kartoffeln lassen sich vielfältig zubereiten, ob als Pommes, Püree oder Salat. Frischgemachte Kartoffelpuffer sind sehr beliebt, ihre Zubereitung aber nicht: blutige Fingerkuppen beim Reiben der Knollen möchte niemand bekommen. Eine Alternative sind Boxty, die köstlichen Kartoffelpuffer aus Irland, die zum Teil mit vorgegarten Kartoffeln gemacht werden. Zum Trinken gibt es blaues Wasser und Ayran in pink.

Pink Room © Thomas Platt
Thomas Platt

Feine Fusion-Küche am Gendarmenmarkt - "Pink Room Berlin"

Es ist eine Fusion, die erst einmal verwirrt: die Vereinigung der japanischen mit der levantinischen Küche in einem Menü. Der Berliner Sternekoch Gal Ben Moshe (Restaurant "Prism") hat unlängst in einer luxuriösen Club Lounge am Gendarmenmarkt ein epochemachendes Experiment gestartet, das zwei Traditionen vereint, die einander auszuschließen scheinen. "Pink Room Berlin" heißt das Restaurant.

Bewertung: