Musik und Vergangenheit in Wien um 1900 - Michael Meyer: "Moderne als Geschichtsvergewisserung"
Wien ist eine traditionsreiche Stadt, das ist sicher unbestritten und bekannt. Aber wie wichtig ist die Tradition, also die Vergangenheit für das Selbstverständnis der Stadt? Der Musikwissenschaftler Michael Meyer hat das am Beispiel der Musik untersucht und darüber jetzt ein neues Buch vorgelegt.
In Wien ticken die Uhren bekanntlich ein wenig anders als in der übrigen Welt. Wie die Vergangenheit der Stadt gerade im musikalischen Leben nicht wegzudenken ist, führt Michael Meyer an zahlreichen, sehr prägnanten Beispielen aus: von Künstlerjubiläen über musikalische Diskurse bis hin zu Aufführungen und Festivals um 1900.
Ein faszinierendes Eintauchen in das historische Musikleben Wiens
Ein sehr gutes, auch heute noch nachvollziehbares Beispiel ist die Oper "Der Rosenkavalier" von Richard Strauss. Warum verwendet der Komponist als zentrale Musik darin ein Wiener Walzer, wo die Handlung doch zur Zeit von Maria Theresia Mitte des 18. Jahrhunderts spielt?
Ein scheinbarer Anachronismus, für den der Autor aber etliche weitere Beispiele anführen kann, die belegen, dass im Wiener Musikleben die Moderne nicht ohne Vergangenheit und ihre ganz besondere Bedeutung denkbar war (und ist).
So ermöglicht dieses Buch ein faszinierendes Eintauchen in das historische Musikleben einer der zentralen Weltmetropolen der Musik.
Andreas Göbel, rbbKultur