Texte - Mariana Leky: "Kummer aller Art"
Das neue Buch der Bestsellerautorin ist ein wahres Trost-Buch. Und das nicht etwa, weil es hier nur um heitere Dinge geht, ganz im Gegenteil. In ihren kurzen Texten schreibt Mariana Leky von all dem Unbill des Lebens, den wir auch kennen, aber wie sie das tut, das ist ungemein tröstlich.
Zum Beispiel: Die Schlaflosigkeit. Wer schläft in diesen Zeiten schon gut, man denkt über den kommenden kalten Winter nach und ob man genug Strickjacken hat und wie dieser Krieg jemals enden kann, und dass Altkanzler Schröder tatsächlich Urlaub in Moskau macht.
Expertinnen in Schlaflosigkeit
Diese Überlegungen kommen in dem Text "Die Nächte, in denen wir nicht schliefen" natürlich nicht vor. Könnten sie aber. Die Autorin und ihre Nachbarin sind nämlich "Expertinnen in Schlaflosigkeit. Wohlgemerkt: in, nicht für". Sie kennen alle Phasen der wachen Verzweiflung und alle Rezepte dagegen: Schafe zählen, tief in den Bauch atmen, langweilige Bücher lesen. Nix hilft. Schließlich entwerfen die beiden Frauen ein eigenes Programm: Sie wollen alle Nächte ihres Lebens zählen, in denen sie nicht schlafen konnten, sich "die Betten in Erinnerung rufen, in denen wir wach lagen".
Das sind schließlich so viele, dass man darüber vor lauter Erschöpfung in den Schlaf fallen muss.
Ein liebevoller und genauer Blick auf die Menschen
Ursprünglich sind diese 39 kurzen Texte als Kolumnen in der Zeitschrift "Psychologie heute" erschienen, die meisten sind angesiedelt in der Nachbarschaft eines Mietshauses. Da ist die schlaflose Frau Wiese, die sich plötzlich verliebt – in einen Mann, den sie, aber nur sie, ungemein attraktiv findet oder der hilfsbereite Herr Pohl, der seine Angststörung gerade überwunden hat, als Corona ihn ans Haus fesselt. Gut, dass er wenigstens den ewig zitternden Zwergpinschermischling Lori hat.
Marina Leky schaut liebevoll und mit genauem Blick auf die Menschen. Selbst der neue Nachbar, der unter ihrer Wohnung einzieht und sich andauernd beschwert, wird mit Verständnis beschrieben. Auch wenn das natürlich irgendwann ein Ende hat.
Keine Misshelligkeit, kein Schmerz ohne auch eine helle Seite
Bei der Lektüre fühlt man sich jedenfalls gut aufgehoben, weil es keine Misshelligkeit, keinen Schmerz gibt, der nicht auch eine andere helle Seite hat. Selbst die 16-jährige Lisa, die per SMS von ihrem Freund verlassen wurde, und die nun von ihrem Liebeskummer überall hin begleitet wird, lächelt am Ende. In der Titelgeschichte weist sie der nette Herr Pohl auf ein Beruhigungshalsband für Hunde hin, das "konstante Behaglichkeit" verspricht.
Angesichts dieser Drohung ist jede Traurigkeit ein Glück. Überhaupt sollte niemand ganz ohne Kummer durchs Leben gehen wollen.
Manuela Reichart, rbbKultur