Form und Bedeutung in Wagners Musikdramen - Karol Berger: "Jenseits der Vernunft"
Bücher über Richard Wagner füllen die Regale längst meterweise. Aber immer wieder gibt es Neuerscheinungen zu diesem Komponisten. Jetzt hat der Musikwissenschaftler Karol Berger unter dem Titel "Jenseits der Vernunft" ein Buch über – wie es im Untertitel heißt – "Form und Bedeutung in Wagners Musikdramen" verfasst.
Da ist zunächst die Form: Während man immer wieder liest, Wagner habe vor allem in seinen späten Musikdramen keine klassischen Opernformen wie Arie, Duett etc. mehr verwendet, weist Karol Berger nach, wie Wagner neben den rezitativischen Dialogen auch Formen wie Arie, Arioso oder Stretta angewandt hat. Eine umfangreiche tabellarische Zusammenfassung im Anhang verdeutlicht diesen Ansatz eindrucksvoll.
Wer Wagners Opern verstehen will, kommt an dieser Lektüre nicht vorbei
Die Bedeutung: Das alles war für Wagner natürlich kein Selbstzweck. Der Autor erläutert ausführlich, was Wagner mit diesen formalen Dispositionen bezweckt. Beispiel "Walkürenritt". Da analysiert Berger, dieser setze "das Thema der unaufhörlichen Flucht vor dem verfolgenden Schicksal fort, das die Oper durchzogen hatte".
Nicht zu vergessen ist der philosophische Hintergrund. Wagners Musikdramen weisen über das rein Musikalische oder die Handlung weit hinaus. Ohne Philosophie, Politik, Religion oder Gesellschaft ist Wagners Denken und Schaffen nicht vorstellbar, insbesondere die großen Opern, die Wagner nach der Revolutionszeit 1848/49 geschrieben hat. In einem Prolog und einem Epilog fächert Karol Berger auch das in sehr komprimierter Form auf.
Das ist keine Bettlektüre, kann es auch nicht sein. Wer jedoch Wagners Opern verstehen will, kommt an diesen Dingen nicht vorbei. Vieles in diesem Buch ist nicht grundsätzlich neu, selten jedoch hat man eine derartige Fülle an Zusammenhängen und Analysen so verdichtet, analytisch präzise und auch meinungsfreudig vorgefunden.
Andreas Göbel, rbbKultur