Reihe zur Musikgeschichte - Melanie Unseld: "Musikgeschichte Klassik"
Wer sich mit der Epoche der "Klassik" auseinandersetzt, hat die Schwierigkeit, zunächst definieren zu müssen, wie sich das eingrenzen lässt. Melanie Unseld findet für ihre Darstellung der musikalischen Klassik eine schlüssige Lösung.
Die Autorin muss sich wegen der anderen Teile der fünfbändigen Reihe zur Musikgeschichte des Bärenreiter-Verlags an die Jahreszahlen 1750-1830 halten, um allzu große Überschneidungen zu vermeiden, schreibt aber gleich zu Beginn zutreffend, dass sich Geschichte nicht "in Scheiben schneiden" lässt. Als treffenderen Begriff gebraucht sie für diese Epoche den Terminus "Sattelzeit", gemeint als Übergang gewissermaßen von Vormoderne zur Moderne.
Musik im geschichtlichen Zusammenhang
Im Zentrum steht zunächst einmal die Zeit selbst: Gesellschaft, Politik, alles das, was auch die Musik zentral geprägt hat. Wichtige Stichworte sind da etwa die Aufklärung oder die politische Landkarte, ausgehend von der Französischen Revolution, die "Kritik an der Allmacht der Aristokratie" und die immer größer werdende Bedeutung von Mittelschicht und Bürgertum. Zusammenhänge, ohne die die in dieser Zeit gespielte Musik nicht zu verstehen wäre.
Musikfragen aus Zeitperspektive
Melanie Unseld geht an die Musikdetails sehr systematisch heran und fächert sie in Einzelbereiche und Einzelfragen auf, etwa: wie wurde Musik aufgeführt, wie die Instrumente gebaut, wie wurde Musik gelehrt? Wichtig auch die Orte, an denen Musik erklang: während das Musizieren zu Hause, im Theater, bei Hofe oder in Kirchen und Klöstern gepflegt wurde, war der heute allgegenwärtige Konzertsaal noch die absolute Ausnahme.
Sehr plastisch erscheinen die damaligen Verhältnisse, gerade auch die Bedingungen, unter denen Musik entstanden ist und aufgeführt wurde. Schlecht ausgebildete Sängerinnen und Musiker, kaum geprobte Aufführungen oder ein unruhiges Publikum, das sich unterhielt, trank, rauchte oder Karten spielte.
Von Oper bis "Volkston"
Bei den ausgewählten besprochenen Kompositionen setzt die Autorin auf zentrale exemplarische Werke, die die jeweiligen Fragestellungen unterfüttern. Wolfgang Amadeus Mozarts Oper "Die Hochzeit des Figaro" darf nicht fehlen – wegen ihrer speziellen Opernform, aber auch politisch als ein Werk, das von einem Kammerdiener erzählt, der nicht mehr bereit ist, sich Standesgesetzen zu unterwerfen.
Auch ein Lied wie "Der Mond ist aufgegangen" von Johann Abraham Peter Schulz steht hier sehr überzeugend für eine spezielle Ästhetik der Natürlichkeit, betonter Einfachheit, kurz: das, was damals als "Volkston" bezeichnet wurde.
Kompetent und unterhaltsam
Melanie Unseld gelingt es in ihrer Darstellung, alle Interessierten anzusprechen. Wer eine gute Einführung sucht, findet diese, ohne dass allzu viele Fachtermini fallen. Wer sich besser auskennt, findet aber immer noch neue, bislang weniger betrachtete Details. Das gelingt anschaulich, klar formuliert und mit einer treffenden Auswahl aussagekräftiger Quellen und Zitate. Man erfährt eine Menge - und es ist durchaus auch unterhaltsam.
Andreas Göbel, rbbKultur