Barrie Kosky: Und Vorhang auf, hallo! © Insel
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Erinnerungen - Barrie Kosky: "Und Vorhang auf, hallo!"

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Zehn Jahre lang war Barrie Kosky Intendant der Komischen Oper in Berlin und hat nicht nur das Haus, sondern auch das Opernleben in Berlin maßgeblich geprägt. Jetzt hat er seine Erinnerungen vorgelegt in seinem neuen Buch "Und Vorhang auf, hallo!". Der Untertitel: "Ein Leben mit Salome, Mariza, Miss Piggy & Co."

Ein Buch zur ungewöhnlichen Zeit? Normalerweise schreibt man seine Memoiren nicht schon mit Mitte 50. Aber nach Barrie Koskys zehn Jahren als Intendant der Komischen Oper ist schon eine Ära zu Ende gegangen. Und er musste auch nachlegen: Sein vor etlichen Jahren (und vor kurzem auch in deutscher Übersetzung) veröffentlichtes kleines autobiografisches Buch "On Ecstasy" ist vor dieser Zeit erschienen und damit längst nicht mehr aktuell, da musste jetzt etwas nachfolgen.

Von Australien nach Berlin

Zwei Stränge durchziehen Barrie Koskys Buch: autobiografische Schilderungen seiner Kindheit und Jugend in Australien, wo er von seiner Großmutter an die Welt der Oper herangeführt wurde. Und Rückblicke auf eigene zentrale Inszenierungen: Peter Tschaikowskys "Eugen Onegin" an der Komischen Oper, voller Intimität und darstellerisch stark besetzt. Oder Richard Wagners "Meistersinger" in Bayreuth, in denen Kosky einen ganz eigenen Weg fand, mit Wagners Antisemitismus umzugehen.

Sieben Kapitel gibt es, jedes überschrieben mit einer Figur, meistens aus einer Oper: Tosca aus dem gleichnamigen Musiktheater von Giacomo Puccini. Aber auch Mackie Messer – Kosky hat ja auch die "Dreigroschenoper" am Berliner Ensemble inszeniert.

Ohne Punkt und Komma

Und Miss Piggy? Barrie Kosky hat in seiner Kindheit kaum eine Folge der "Muppet Show" verpasst, aber die britisch-amerikanische Puppen-Comedy-Serie war und ist mehr für ihn als reine Unterhaltung. Auf seine typische selbstironische und doch ernste Art schreibt er, er sei dadurch "zu einer Art Mischung aus einem Schwuchtel-Frosch, einer Schweine-Dragqueen und einem traurigen, jüdischen Bär geworden".

Überhaupt findet man Barrie Kosky in seinem Buch so, wie er auch spricht und erzählt: wie ein Wasserfall und ohne Punkt und Komma. Da hatte wohl Rainer Simon, an der Komischen Oper Koskys Referent, einiges zu tun, um Koskys sprudelnde Gedanken in eine lesbare Form zu bringen.

Unterhaltsam und ernsthaft

Das liest sich alles leicht und unterhaltsam und doch reflektiert und ernsthaft. Etwa wenn Barrie Kosky über die vielen Operetten von Paul Abraham oder Emmerich Kálmán nachdenkt, die er an der Komischen Oper wiederbelebt hat. "Wir wollten diese herrlichen Stücke feiern", schreibt er. "Natürlich schwingt dabei stets auch Melancholie und Trauer mit über das, was die Nazis zerstört haben. Und doch ist für mich die beste Art, sich an die Komponisten und ihre Werke zu erinnern: sie aufzuführen und sie als große Unterhaltungskunst zu feiern."

Sicher, wer diese Aufführungen alle erlebt hat, hat sofort beim Lesen die zugehörigen Bilder im Kopf. Aber das ist keine Voraussetzung, um das Buch mit Gewinn lesen zu können. Barrie Kosky erzählt so bilderreich und plastisch, dass alle, die das interessiert, davon mitgerissen sein dürften.

Andreas Göbel, rbbKultur

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