Ein kleiner Guide für Naturbanausen und Stadtkinder - Marie Parakenings: "Berliner Tiere"
Wer sagt, Städte seien schlecht für die Umwelt? Es kommt ganz darauf an, wie man Städte und ihre Natur betrachtet. Ein Büchlein aus dem Kadmos Verlag klärt über die Artenvielfalt in Berlin auf: "Berliner Tiere. Ein kleiner Guide für Naturbanausen und Stadtkinder", geschrieben und illustriert von Marie Parakenings, das jetzt neu bearbeitet schon in der dritten Auflage erscheint.
Schon in der Ausstellung "urbainable – stadthaltig. Positionen zur europäischen Stadt für das 21. Jahrhundert" der Akademie der Künste vor zwei Jahren war zu erfahren, dass Städte einigen Tierarten besonders gute Lebensbedingungen bieten: Sperlingen, Meisen, Schwalben, Mauerseglern, Fledermäusen, Eichhörnchen und natürlich: Füchsen. Es gibt viel Futter, weniger Feinde und immer warme Plätzchen, auch im Winter. In Städten können sich sogar neue Tierarten bilden und Stadtbienen sammeln bis zu 50 % mehr Honig als ihre Artgenossen auf dem Land.
Von Spatzen, Nachtigallen, Füchsen und "Bahnhofsmäusen"
Abgesehen von den Hunden – aktuell 104.757 – leben rund 20.000 Wildtierarten in der Stadt. Arten, nicht Exemplare! Das Buch "Berliner Tiere" bietet einen kleinen, rein subjektiv ausgewählten Einblick in die Berliner Tierwelt: Spatzen lieben Berlin, vor allem den Zoo, nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Spatzen wie dort – vor allem an der Pommesbude ... Berliner Spatzen polstern ihre Nester mit Zigarettenstummeln aus, genauer mit zerrupften Filtern, weil das Nikotin darin Nestparasiten eindämmt!
Schlau ist auch der Eichelhäher. Der setzt sich manchmal in Ameisenhügel, weil die Ameisensäure Parasiten im Gefieder vertreibt. Berliner Meisen ernähren sich gut und gern von der Miniermotte, die unsere Kastanien so plagt. Die Singdrossel singt um zehn Dezibel lauter als auf dem Land, damit sie gehört wird. Auch die Nachtigall - die singt in Berlin sogar 14 Dezibel lauter als auf dem Land. Und in keiner anderen deutschen Stadt leben so viele Nachtigallen wie hier.
Aber man erfährt in dem Buch nicht nur Interessantes über Vögel, sonder auch einiges über - klar - Füchse. Von denen hat Berlin zwischen 5.000 und 10.000. Oder Wildschweine: 3.000 bis 4.000, von denen man einige wohl auch mal im Tegeler See schwimmen sehen kann.
Die Waldmaus ist in Berlin zu Bahnhofsmaus geworden: In den U-Bahngleisen am Hermannplatz sollen ungefähr 186 Mäuse leben, deren Magen sich vollständig auf Berliner Fast Food umgestellt hat: auf Dönerfleisch und Pommes. Und in der Spree gibt es immerhin 27 Fischarten.
Ein Buch auch für Naturbanausen
Das Buch mit Illustrationen der Autorin, die jedes Tier charakterstark zeigen, richtet sich nicht nur an Naturliebhaber:innen, sondern ebenso an "Naturbanausen": Es lässt Stadtkinder, die sich vor Ratten im Keller eher ekeln, die Stadttiere mit ganz anderen Augen sehen lässt. Auf jede Berlinerin, jeden Berliner kommen zwei Ratten: Sie verständigen sich mit Lauten im Ultraschallbereich und können hervorragend schwimmen, tauchen, klettern und buddeln.
Und in Berlin gib es 17.000 Insektenarten - darunter das Silberfischchen, das Schimmel und Hausstaub frisst und seit 300 Millionen Jahren existiert. Acht Jahre alt kann es werden. Von wegen Single-Stadt Berlin! Allgemein geht es Insekten in den Ritzen und Fugen der Stadt besser als in der Landwirtschaft, wo sie durch Insektizide und Pestizide bedroht sind. Auch die Pflanzenvielfalt ist in den Städten größer als auf landwirtschaftlichen Flächen.
Empfohlen sei dieser Guide eher großen Großstadtkindern als Grundschüler:innen. Und auch die Eltern lernen: Niemals Enten oder Schwäne füttern, Wasserinseln für Insekten bauen - und nicht zu viel putzen!
Natascha Freundel, rbbKultur