
Album der Woche | 26.06. - 02.07.2023 - Alban Gerhardt u. Alliage Quintett: Phantasy in Blue
Alban Gerhardt, Berliner Cellist, der zurzeit mit seiner Familie in Madrid lebt, hat ein neues Album vorgelegt: "Phantasy in Blue". Eine CD, die ein ganz unterschiedliches Repertoire zusammenfasst: Vivaldi und Gershwin, de Falla und Schostakowitsch.
Der Clou liegt vor allem in der Besetzung: Alban Gerhardt spielt mit dem Alliage Quintett. Dieses Ensemble überrascht seit fast 20 Jahren immer wieder mit originellen Arrangements - wie Vivaldis "Vier Jahreszeiten-Konzert" oder Strawinskis "Feuervogel". Und das in ihrer ungewöhnlichen Besetzung: vier Saxophone und ein Klavier.

Skepsis am Anfang
Trotz aller Sympathie war Alban Gerhardt zunächst vorsichtig: "Ich hatte Bedenken. Ich dachte: Saxophon würde viel zu laut sein, und das Cello komplett verschluckt werden." Gerhardt sah die Gefahr, dass sein Instrument im Gesamtklang verschwinden könne. "Aber sie meinten: 'Ja, lass uns doch mal probieren!'"
Experimentierfreudig wie der Cellist aber ist, hat er sich auf eine Probe eingelassen und stellte danach fest: "Die Balance war gut und die Klanglichkeit interessant. Also dachte ich: Gut, dann kann ich ihnen vertrauen. Und dann habe ich ihnen blind vertraut - und sie haben Vorschläge gemacht."
Zum Beispiel die Rokoko-Variationen von Peter Tschaikowsky, ein Stück für Cello und Orchester.
Frech und frei in der Bearbeitung
Der Dirigent, Saxophonist und Pianist Stefan Malzew hat daraus eine ganz eigene Version gemacht. Denn er nimmt sich musikalisch so einige Freiheiten. So behält das Cello zwar die überwiegend solistische Rolle, aber einige Melodie-Passagen wandern immer wieder zu einem der Saxophone – und diese sind sehr geschmackvoll ausgesucht.
Oder: er dreht das Stück in eine ganz neue Richtung. So lässt er in der sechsten Rokoko-Variation Jazzrhythmen und Blue Notes anklingen und benennt Nr. 6 mit "Andante 'Bluesando'". Cellist Gerhardt findet, dass dieser Zugriff zu Tschaikowsky und seinen dramatischen Lebenserfahrungen passt: "Er hatte ein tiefes Leid, was in seiner Musik auf jeden Fall spürbar ist. Also deswegen: Blues und Tschaikowsky zusammenzubringen, ist nicht komplett an den Haaren herbeigeholt."
Voller Phantasie in die Rhapsody
Stefan Malzew ist auch Arrangeur das letzten, titelgebenden Werkes des Albums und nennt die Bearbeitung der "Rhapsody in Blue" von George Gershwin nun "Phantasy in Blue". Auf der einen Seite sorgte das für sofortige Begeisterung beim Cellisten, weil damit dieses großartige Stück für Klavier und Orchester auch für sein Instrument möglich wurde. Aber auch hier wieder der Schimmer der Skepsis, bei ihm und dem Hörer: Geht das wirklich auf?
Ja. Es ist eine frische Sicht auf ein vielgespieltes Werk und genial umgesetzt. Der berühmte Anfang, der stufenlose Aufgang in der Klarinette, ist geschickt auf das Cello übertragen. Das klingt – wie macht das Alban Gerhardt nur? – fast wie eine Klarinette.
Und der Puls des Stückes scheint wie gemacht zu sein für die Saxophone und das Klavier vom Alliage Quintett. Wie schön, dieses Werk so neu hören zu können!

Mit Vertrauen ins Barock
Wie viel Vertrauen Alban Gerhardt dem Alliage Quintett gegenüber aufgebracht hat, zeigt sich auch darin, dass er sich sogar auf barocke Musik von Antonio Vivaldi eingelassen hat. "Weil ich da tatsächlich weiß: andere Leute können das viel besser als ich!"
Aber seine Technik sitzt. Das Zusammenspiel ist perfekt. Und eigentlich ist es ein barocker Zugriff auf dieses A-Dur-Cellokonzert von Vivaldi. Denn damals arrangierte man genauso hemmungslos um wie hier: Welche Instrumente sind da? Und damit losgespielt.
Sommeralbum
Auch die anderen Stücke, die auf dem Album erklingen, ursprünglich von Manuel de Falla und Dmitry Schostakowitsch komponiert und dann für die Besetzung eingerichtet, öffnen die Ohren auf originelle Weise.
Cellist Alban Gerhardt und das Alliage Quinett beweisen: der Mut, Werke durch frisch-freche Arrangements neu aufzumischen, lohnt sich. So wird daraus - bei so gutem Vibe zwischen den Musikern - ein erfrischendes Sommeralbum.
Cornelia de Reese, rbbKultur