Album der Woche | 27.03. - 02.04.2023 - Anthony Romaniuk: Perpetuum
Der australische Pianist Anthony Romaniuk ist ungemein vielseitig zwischen Jazz und Alter Musik unterwegs. Dabei spielt er nicht nur Klavier, sondern auch alle anderen möglichen Tasteninstrumente. Diese erkundet er auch auf seinem neuen Album. Sechs Instrumente hat er dafür ins Studio geholt und Werke ausgewählt, die das Motto "Perpetuum" in sich tragen.
Was in der Physik unmöglich ist, funktioniert in der Musik hervorragend: das Perpetuum Mobile. Pianist Anthony Romaniuk übersetzt "Perpetuum" für sich mit drei Worten: mit Hypnose, Trance und Groove. Es gibt rauschhaft Musik, die sich immer wiederholender Bewegungen bedient – und auf diese setzt Romaniuk auf seinem neuen Album: auf die musikalische Sogwirkung. Fast möchte man meinen, er will uns Hörerinnen und Hörer auf Musikdroge setzen.
Kein Phänomen der Moderne
Es ist eine "Droge", die er reichlich in der Musikgeschichte aufgespürt hat - in der Romantik, im Barock und selbst die Musik des Mittelalters kennt diesen Effekt. Diesen zu finden, darin lag der Reiz für Anthony Romaniuk.
Jedes Instrument ein Schauspieler
Und er legt sich nicht auf ein einziges Tasteninstrument fest, wie es in der Vergangenheit schon Pianisten getan haben, die mit diesem einen Instrument um die Welt tourten. Romaniuk sucht sich für jedes Werk das passende Instrument und geht dabei auch durch die Jahrhunderte. Wobei er die Instrumente mit Schauspielern vergleicht: Jedes Instrument habe seine Persönlichkeit, sein Timbre, mit dem er eine Rolle, ein Stück ausfüllt und verlebendigt.
Bei dem groovenden Ground von Henry Purcell greift er zum Cembalo, einem Instrument, bei dem die Saiten angezupft werden und eine ganz eigene, spitze Klangfarbe verbreiten. Immer wenn Romaniuk ein Stück gefunden hat, das er gern spielen möchte, denkt er sofort darüber nach, welches Instrument am besten passten würde. Denn ihm kommt es darauf an, jedem Stück eine bestimmte Aura zu geben. Klangfarbensuche im "Suchtprogramm".

Brillanz und Warmtönigkeit
Jedes seiner sechs Instrumente im Studio hat seine Stärken. Bei Schubert und Schumann greift er auf ein historisches Fortepiano zurück, gebaut in den 1830er Jahren, das in der Höhe silbrig glitzert und etwas tiefer warme Wohligkeit ausströmt.
Doch im Rausch hält man sich nicht an Regeln. Nicht jedes Mal fällt die Wahl von Romaniuk auf das Instrument der entsprechenden Epoche. Bei den Pièces froides von Erik Satie, die drei Tänze beinhalten, wählt er drei verschiedene Tasteninstrumenten. Das erste spielt er auf dem Fortepiano, bei Nummer zwei greift er auf das Yamaha CP-80 zurück, ein transportabler, halb-akustischer Flügel der 70er/80er Jahre. Hier ergeben Stück und Instrument einen regelrechten "Seele-baumeln-Moment", in dem das angenehm Dunkle, Warme betont wird. Für Nummer drei wechselt er dann auf das moderne Instrument, das etwas mehr Klarheit, ein Leuchten in die Musik bringt.
Anthony Romaniuk macht damit erfahrbar, dass jede Klangzusammensetzung eine spezielle Mischung ergibt, einen "Klangkick" der besonderen Art - zum Beispiel, wenn das Prelude a-Moll von Dmitri Schostakowitsch vorbeitiggert. Schostakowitschs Tempo-Cocktail funktioniert für ihn am besten auf dem heutigen Instrument.
Pianisten aller Epochen haben improvisiert
Zwischen all den hypnotisch-kreisenden Werken setzt Romaniuk immer wieder eigene Improvisationen. Schließlich haben Pianisten aller Epochen am Instrument gesessen und ihren musikalischen Ideen freien Raum gelassen. Besonders reizend ist seine Parabola auf dem uralten Virginal. Eine Art Song, der den Kopf drehend macht.

Instrumenten-Epochen-Clash
Nachdem das moderne Klavier, das Virginal, das Cembalo, das Hammerklavier und das halbelektronische Yamaha-Instrument zu hören waren, kommt zum Schluss der unkonventionellste Mix: Barockes erklingt auf dem Synthesizer. Die Toccata Arpeggiata von Giovanni Kapsberger. Das Original kommt aus dem elektronischen Instrument, dazu spielt Romaniuk frei auf dem Flügel.
Der Pianist besticht auf dem gesamten Album mit seiner Stilsicherheit, mit seinem pianistischen Können, das er aus dem Ärmel schüttelt und unser musikalisches Bewusstsein erweitert.
Cornelia de Reese, rbbKultur