Camille Thomas - The Chopin Project; Montage: rbbKultur
Bild: Deutsche Grammophon

Album der Woche - "Best Of" | 14.08. - 20.08.2023 - Camille Thomas: "The Chopin Project"

Es ist Sommer - und da hören wir auf rbbKultur in unsere "Alben der Woche" rein, die uns im ersten Halbjahr ganz besonders gefallen haben. Auf manche von ihnen haben wir ganz besonders gespannt gewartet - zum Beispiel auf das Album "The Chopin Project" der belgisch-französische Cellistin Camillie Thomas. Nur wenige andere Komponisten haben sich so auf ein einziges Instrument konzentriert wie Chopin auf das Klavier. Aber wussten Sie, dass Chopins Lieblingsinstrument eigentlich das Cello gewesen sein soll? Immerhin ein paar Werke hat Chopin für das Cello komponiert, wozu ihn vermutlich der Cellist Auguste Franchomme animiert hat.

Frédéric Chopin ist als Komponist für Klavierwerke bekannt. Wohl kaum ein anderer großer Name hat so nahezu ausschließlich für nur ein einziges Instrument geschrieben wie Chopin. Dabei soll Chopins eigentliches Lieblingsinstrument das Violoncello gewesen sein. Tatsächlich hat er ein paar wenige Werke für das Cello komponiert. Dazu animierte ihn vermutlich sein enger Freund, der Cellist Auguste Franchomme.

Camille Thomas und das Stradivarius Feuermann

Dessen Cello, das Stradivarius Feuermann, spielt derzeit die belgisch-französische Cellistin Camille Thomas. 2019 stellte ihr die Nippon Music Foundation, die die weltweit umfassendste Sammlung von Stradivari-Instrumenten besitzt, das Cello zur Verfügung.

Weil Franchomme darauf Werke von Chopin gespielt haben muss, unter anderem die ihm gewidmete Cellosonate op. 65, fasste Camille Thomas den Plan, die komplette Kammermusik von Frédéric Chopin aufzunehmen, das mit vier Werken (drei für Cello und Klavier sowie einem Klaviertrio) recht überschaubar ist.

Ein Himmelsgeschenk während der Corona-Pandemie

Doch die Corona-Pandemie kam dazwischen. Camille Thomas war in Paris – und hatte auf einmal viel Zeit. Zum Beispiel, um Archive in der Nationalbibliothek zu durchforsten:

"Ich habe zahlreiche Manuskripte von Franchomme und Chopin gefunden. Werke, die bislang nie gespielt oder gar aufgenommen wurden. Das war wie ein Geschenk des Himmels!", erinnert sich Camille Thomas.

Viel Musik

Unter den Werken befanden sich auch bemerkenswerte Transkriptionen von Chopin-Werken, zum Beispiel Arrangements für vier Celli. Auch auf Kompositionen von Franchomme selbst stieß Thomas.

"Auf einmal hatte ich unglaublich viel schöne Musik. Es war mir kaum möglich, eine Auswahl zu treffen. Deshalb sind drei CDs entstanden …"

Einige Werke auf ihrem Album hat Camille Thomas selbst bearbeitet. Darunter das Larghetto aus Chopins erstem Klavierkonzert. Gemeinsam mit dem Pianisten Julien Brocal hat Thomas es für Klavier und Cello arrangiert.

Camille Thomas; © Uwe Arens
Bild: Uwe Arens

Chopin – auf dem Cello "gesungen"

Der Cellistin war wichtig, dass die Arrangements werkgetreu blieben. Dennoch lässt die Bearbeitung die Komposition in einem neuen Licht erstrahlen, was den technischen Möglichkeiten des Cellos zu verdanken ist.

"Mit einem Streichinstrument kann ich zum Beispiel Crescendos oder Diminduendos zwischen den Tönen machen oder eine Melodie Tenuto spielen. Auf dem Klavier geht das nicht, weil ein Klavier nicht auf dieselbe Weise durchweg einen Ton halten kann", so die Cellistin. Das Cello könne wie eine menschliche Stimme: singen.

Es ist diese unaufdringliche und zugleich eindringliche Innigkeit, die Camille Thomas an Chopins Musik schätzt. Erlebbar unter anderem im posthum veröffentlichten Nocturne in h-Moll. Innig der Anfang, dann "schreit", "weint" und "tanzt" die Musik. Alles von Chopin sei da, findet Camille Thomas.

Aber auch Werke, in denen man ganz neue Seiten von Chopin entdecken kann, finden sich auf dem dreiteiligen Album. Das "Grand Duo concertant sur des thèmes de 'Robert le Diable' de Meyerbeer" beispielsweise. Quasi eine Unterhaltung zwischen Cello und Klavier. Die Oper "Robert der Teufel" von Giacomo Meyerbeer mochte Chopin sehr.

Ungewöhnlicher Humor

Das "Grand Duo" hat er gemeinsam mit Franchomme komponiert. Beide Stimmen sind für Pianisten und Cellisten gleichermaßen anspruchsvoll. Und: Es ist eine Art Salonstück – mit einem in Chopin-Werken sonst ungewohnten Witz.

Die CD-Trilogie von Camille Thomas, ihr "Chopin Project", ist eine Hommage an Frédéric Chopin. Sie ermöglicht, die Werke des Pianisten, Komponisten und Cello-Verehrers noch einmal neu und anders zu hören. Das Album macht darüber hinaus mit Auguste Franchomme – als Cellist, Arrangeur und Komponist – bekannt. Und: Es zeugt von der Neugier, der Begeisterungsfähigkeit, der Spielfreude und dem Talent einer Cellistin, die bereits jetzt, mit Mitte 30, auf den großen Konzertbühnen der Welt zuhause ist – und die mit Sicherheit auch weiter von sich hören macht.

Antje Bonhage, rbbKultur