Chouchane Siranossian: Duello d’archi a Venezia; Montage: rbbKultur
Bild: Alpha Classics

Album der Woche - "Best Of" | 21.08. - 27.08.2023 - Chouchane Siranossian: "Duello d'Archi a Venezia"

Wir hören zurzeit in die "Alben der Woche" des vergangenen halben Jahrs rein, die uns besonders gut gefallen haben. Daruter sind natürlich auch Aufnahmen, die besonders gut in die Reise- und Ferienzeit passen. Eine Reise nach Venedig bietet sich da natürlich bestens an! Die französische Barockgeigerin Chouchanne Siranossian und das Venice Baroque Orchestra unter Leitung von Andrea Marcon haben sich vorgestellt, wie es sich angehört hätte, wenn sich die vier "Superstars der Geige" - Vivaldi, Tartini, Veracini und Locatellisich - zum Duell gefordert hätten - natürlich nicht mit dem Degen, sondern mit dem Geigenbogen ...

Ein fiktives Duell liefern sich Antonio Vivaldi, Giuseppe Tartini, Francesco Maria Veracini und Pietro Locatelli. Zu hören sind die französische Barockgeigerin mit armenischen Wurzeln, Chouchanne Siranossian und das Venice Baroque Orchestra unter Leitung von Andrea Marcon. Titel der Aufnahme: "Duello d'Archi a Venezia", auf Deutsch: "Duell der Bögen in Venedig".

Was wäre, wenn?

Wie hätte es sich angehört, wenn die vier besten italienischen Geiger aufeinandergetroffen wären und vor einem enthusiastischen Publikum ihr jeweils virtuosestes Stück präsentiert hätten? Ein solches "Duello d'Archi" - ein "Duell der Bögen" - hat es leider nie gegeben. Wenn es aber stattgefunden hätte, dann mit Sicherheit in Venedig, meint Chouchanne Siraossian:

"Die vier Geiger sind nicht aus Venedig, aber alle sind an irgendeinem Punkt in Venedig gewesen. Vivaldi ist natürlich aus Venedig. Tartini ist aus Padua, aber er war auch oft in Venedig. Veracini war aus Florenz und Locatelli war sehr viel in Amsterdam, eigentlich hat er seine Karriere dort gemacht. Aber: wir haben uns so ein Duell vorgestellt."

Virtuosen am Werk – 4 ausgewählte Violinkonzerte

"Alle vier Violinkonzerte, die wir aufgenommen haben, haben darin Capricen oder Kadenzen", sagt Chochanne Siranossian. Also Passagen, in denen die Komponisten ihre Virtuosität auf der Geige ganz nach vorn ins Rampenlicht gestellt haben. "Bei Locatelli zum Beispiel gibt es zwei ausgeschriebene Capricen, die danach natürlich auch Paganini sehr stark inspiriert haben."

Wie Chouchane Siranossian zur Barockgeige kam

Chouchane Siranossian stammt aus einer musikalischen Familie und hat zuerst moderne Violine studiert. Unter anderem war sie Meisterschülerin bei Zakhar Bron in Zürich. Er hat viele heutige Starsolisten wie Vadim Repin oder Daniel Hope ausgebildet. Chochane Siranossian begann ihre Karriere als Konzertmeisterin beim Sinfonieorchester St. Gallen in der Schweiz. Doch früh war ihr klar: Sie wollte musikalisch noch etwas anderes.

Das äußerte sie auch im Gespräch mit dem damaligen Chefdirigenten in St. Gallen, David Stern: "'Du fragst dich viel zu viele Fragen! Du musst unbedingt Reinhard Goebel kennenlernen, damit du Antworten findest!'"

So kam die junge ambitionierte Geigerin mit der "Grauen Eminenz" der historisch-informierten Aufführungspraxis in Deutschland zusammen.

Vom Quellenstudium zur lebendigen Aufführung

Der Geiger und Dirigent Reinhard Goebel, schwärmt die Geigerin, hat ihr eine neue Welt erschlossen:

"Ich hatte immer schon ein Problem mit meinen anderen Lehrern, die mir immer genau gesagt haben, was zu machen ist und mir nie wirklich erklärt haben, wieso! Deshalb hatte ich auch so viele Fragen! Und ein Jahr lang habe ich mit Reinhard Goebel nur Manuskripte studiert und Bücher und erst danach habe ich wirklich mit der Barockvioline angefangen."

Der akademische Hintergrund, betont Chouchane Siranossian, ist ihr enorm wichtig. Aber er ist lediglich Mittel zum Zweck einer lebendigen Aufführung: "Dann, wenn man spielt, macht man einfach Musik!"

Chouchane Siranossioan; © Christian Palm
Bild: Christian Palm

Die passende Sprache finden

Alle vier Violinkonzerte des Albums sind wahre Feuerwerke der italienischen Barockmusik. Aber das von Francesco Maria Veracini sticht für Chouchane Siranossian noch einmal besonders heraus, schon allein aufgrund seiner opulenten Orchesterbesetzung:

"Es ist eigentlich ein Konzert für acht Instrumente, es gibt auch Trompeten, es gibt auch Oboen und die erste Violine hat wirklich Platz zum Improvisieren! Es gibt ausgeschriebene Takte, aber die sind leer. Da muss der Geiger oder die Geigerin wirklich ihre eigenen Kadenzen oder Capricen machen. Die Kadenzen, die ich geschrieben habe, sind wirklich alle mit technischen Elementen von Veracini. Ich probiere dann wirklich, seine Sprache zu verstehen und das dann auch rüberzubringen. Wir sind Interpreten dieser Musik, aber es ist auch sehr wichtig, dass man von sich selbst etwas gibt, damit es auch lebendig ist!"

Eine Frau, vier Männer

Chouchane Siranossian schafft es mit ihrem enormen Temperament und mit ihrem Hintergrundwissen, die unterschiedlichen Tonsprachen dieser vier männlichen "Alpha-Tiere" lebendig zu machen:

"Heutzutage denke ich gar nicht mehr 'Frau oder Mann'. Es waren einfach Geiger oder Virtuosen! Natürlich war es damals viel schwieriger für Frauen, als Virtuosinnen durchzukommen. Heutzutage ist es schon anders, ich glaube, es ist jetzt viel einfacher – in jedem Fall."

Claus Fischer, rbbKultur