Album der Woche | 04.09. - 10.09.2023 - Concerto Copenhagen: "Champagne! The Sound of Lumbye and his Idols"
Er war der populärste Musiker in Skandinavien in der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Däne Hans Christian Lumbye. Eigentlich hieß er "Hansen", doch er nannte sich nach dem Dorf, in dem er geboren wurde, Lumbye bei Odense auf der Insel Fünen. Man könnte ihn als den "dänischen Johann Strauß" bezeichnen, denn auch er hat, wie sein Wiener Vorbild, eine ganze Dynastie von Musikern begründet. Ab 1843 leitete er das Orchester im damals frisch eröffneten Vergnügungspark "Tivoli". Wie das damals geklungen hat, kann man auf dem Album "Champagne" mit dem Orchester Concerto Copenhagen unter Leitung von Lars Ulrik Mortensen hören.
Wer regelmäßig das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker verfolgt, hat dieses Stück mit Sicherheit schon gehört. Der "Champagner-Galopp" ist zweifellos der größte Hit aus der Feder des Kopenhagener Tivoli-Kapellmeisters Hans Christian Lumbye.
"Es war eine Art von Popmusik in den 1840ern", sagt Lars Ulrik Mortensen, der Leiter von Concerto Copenhagen. Das Ensemble ist eigentlich zuhause in der Musik des Barock. Vor etwa zwei Jahren bekamen die Mitglieder zufällig ein Buch über die Geschichte des Kopenhagener Vergnügungsparks "Tivoli" in die Hände. So entstand die Idee, Werke von Hans Christian Lumbye aufzunehmen - aber "historisch-informiert"!
Auf der Suche nach dem originalen "Tivoli-Klang"
"Wir nehmen Musik, von der wir glaubten, dass wir sie kannten“, erzählt Lars Ulrik Mortensen. "Aber dann haben wir untersucht: was waren eigentlich die Aufführungsumstände? Denn unsere Herangehensweise an diese Musik ist genau die gleiche, als wenn wir Bach und Händel spielen."
Heute werden die Werke von Hans Christian Lumbye - egal ob in Kopenhagen oder Wien - immer von groß besetzten Sinfonieorchestern aufgeführt, mit meist mehr als 30 Streichinstrumenten. Doch das, betont der Dirigent, ist absolut nicht der originale "Tivoli-Klang":
"Lumbye hatte 11 Streicher und 13 Bläser - das heißt, die Balance ist da total anders."
Und nicht nur das: Auch die Instrumente aus der Mitte des 19. Jahrhunderts unterscheiden sich in der Bauart stark von denen eines heutigen Sinfonieorchesters:
"Es waren Instrumente aus der Militärmusiktradition - viel mehr 'Geschrei' in den Piccoloflöten, eine ganz andere Art von Obertönen in den Klarinetten und Fagotten. Und die Trompeten sind viel heller und strahlender."

Lumbyes Vorbilder
Die beiden Wiener Komponisten Johann Strauß und Joseph Lanner, die auf dem Album auch mit je einem Werk vertreten sind, waren die großen Vorbilder für Hans Christian Lumbye. Das hört man deutlich, etwa im "Silberhochzeitswalzer", den Concerto Copenhagen rund 180 Jahre nach seiner Entstehung erstmals aufgenommen hat. Die opulente sinfonische Einleitung zeigt, wie gut der Komponist – der nebenbei auch in Anführungszeichen "ernste" Ballettmusiken für das Königliche Theater in Kopenhagen geschrieben hat - das Orchestrieren beherrschte. Und der auf die Introduktion folgende Walzer sprüht geradezu vor fantasievollen musikalischen Einfällen.
Die "Tivoli Bazaar Tsching-Tsching-Polka": eine von vielen Entdeckungen
Rund 400 unterhaltsame Werke hat Hans Christian Lumbye hinterlassen - vom Galopp über die Polka und Walzer bis zur Tarantella. Nicht einmal die Hälfte davon ist bislang aufgenommen, sagt Lars Ulrik Mortensen. Für ihn eine echte Entdeckung war etwa die "Tivoli Bazaar Tsching-Tsching-Polka":
"Der Tivoli Bazaar war eine Gaststätte, wo man neben Kaffee und Bier und Wein auch sehr viele orientalische Raritäten kaufen oder beschauen konnte. Und 'Tsching-Tsching' ist die ganze chinesische Schlagzeug-Tradition – und es macht einen Riesenkrawall!“

Das Album schließt eine Repertoirelücke
Der "dänische Johann Strauß" Hans-Christian Lumbye ist hierzulande kaum bekannt. Hier schließt das Album unbedingt eine Repertoirelücke. Aber auch das dänische Publikum, dem etliche der Stücke geläufiger sind, dürfte neue Hörerfahrungen machen, meint Lars Ulrik Mortensen:
"Es klingt viel rauer, es klingt viel energischer, es klingt weniger, darf man sagen 'biedermeierlich'. Für mich ist es ganz einfach moderner geworden!“
Claus Fischer, rbbKultur