Album der Woche | 15.05. - 21.05.2023 - Einav Yarden: "Father and Son" - J. S. Bach u. C.P.E. Bach
Die israelische Pianistin Einav Yarden lebt schon viele Jahre in Berlin. Nach der Musik von Joseph Haydn und Robert Schumann hat sie sich in die Klaviermusik von Carl Philipp Emanuel Bach vertieft. In Kombination mit Werken des Vaters Johann Sebastian veröffentlicht sie jetzt die CD "Father and Son".
Und dabei stellte sich die Pianistin die Frage: Wie kann man die Musikbühne betreten, wenn der Vater kein Geringerer ist als Johann Sebastian Bach?
Erdrückende oder beflügelnde Vaterfigur?
Ein unbestritten anerkannter Musiker, ein Virtuose, vor dem sich die Konkurrenz regelrecht fürchtete. Wie fasste der Sohn Carl Philipp Emanuel Bach den Mut, als Musiker, als Komponist "loszuziehen"?
Einav Yarden: "Wir denken Johann Sebastian nicht oft als 'Vater'. Er ist vielleicht der 'Vater der Musik', aber wir denken an ihn nicht als Vater von Kindern - was er ihnen beigebracht und wie er sie unterrichtet hat. Er musste für sie auch das Geld nach Hause bringen. Und Carl Philip war da ein kleiner Sohn!"
Was Carl Philipp Emanuel über Musik wusste, hatte er von seinem Vater gelernt. Er blieb der einzige Hauptlehrer für ihn, den er ein Leben lang verehrt hat.
"Und trotzdem war es für ihn sehr wichtig, ganz andere, ganz neue Wege zu gehen", so Yarden weiter.
Wie ein ganz normaler Teenager, der zuerst vom Elternhaus, von der Musikausbildung, profitiert und dann das Tun der alten Generation auf den Prüfstand stellt: musikalisch - in seinem Fall.
Yarden stellt fest: "Wie weit er innerhalb nur einer Generation gegangen ist mit seiner Musik - und das, bevor Mozart geboren wurde!"

Entdeckung "by the way"
Einav Yarden hat sich in ihrer Zeit in New York, nach dem Klavierstudium bei Leon Fleischer, ein paar Notenbände von Carl Philipp gekauft. Sie wollte die Stücke bei Gelegenheit vom Blatt spielen.
"Und dann war ich richtig erstaunt, weil diese Musik ganz anders war als die, die ich bis dahin gekannt habe! Das war gar kein Barock. Das war kein Johann Sebastian Bach. Aber das war auch nicht Mozart, Haydn oder Beethoven. Das war etwas ganz anderes - so wild und so verrückt. Es war mir klar, dass es hier wirklich etwas zu entdecken gibt. Und dann habe ich angefangen, seine Musik auf Bühnen zu spielen."
Und das auch gern in Verbindung mit der Musik des Vaters, wie auf ihrer CD "Father and Son".
Das Spiel mit dem Publikum
Das Album beginnt mit einem Rondo von Carl Philipp Emanuel. Ein für ihn sehr typisches Stück, findet Einav Yarden. Der Bach-Sohn spielt mit den Erwartungen des damaligen Publikums: Er wirft ständig neue Wendungen ein, wechselt abrupt Tonarten und Stimmungen. So beginnt das Rondo wild und aufreizend. Kurz darauf stoppt es und fährt fort mit einem leichten, sonnig-freundlichen Gedanken. Das Stück ist auch ein Beweis dafür, dass der Vater in puncto Musik Carl Philipp wie auch die anderen musikbegabten Söhne nie einschränkte. Er forderte sie regelrecht auf, Neues zu kreieren.
Einav Yarden kombiniert auf ihrer CD Werke, die Carl Philipp noch zu Lebzeiten des Vaters komponierte und Sonaten, die viel später entstanden. Mit ihnen revolutionierte er das Klavierspiel, konnte zu Lebzeiten den Ruhm seines Vaters überflügeln und ließ die Epoche des Barock hinter sich.
Begnadete Pianistin
Überzeugend: der wendige Anschlag von Einav Yarden. Hinter jedem Ton, den sie spielt, scheint es zu sprudeln. Dieser Spielpower, dieser Lust auf eine Entdeckungsreisekann man sich nicht entziehen. Die Pianistin verleiht auch der Musik von Vater Bach, Johann Sebastian, eine selten gehörte Frische. Seine zweite Englische Suite wurde von Carl Philipp sehr geschätzt und findet sich nun auch auf der CD.
Besonderes Instrument: ein Gradflügler
Dem Flügel kommt bei dieser Aufnahme eine besondere Bedeutung zu. Es ist ein Flügel der Firma Chris Maene. Seine Bauweise orientiert sich an historischen Hammerklavieren. Alle Saiten sind parallel gespannt und nicht, wie heute üblich, über Kreuz. Das schafft einen transparenten Klang, denn die Saiten schwingen nicht übereinander und gegeneinander – ein Sound ohne romantisch-dunkle Klangwolke.
Und noch einen Vorteil nennt Einav Yarden: "Das ist der Anschlag in diesem Instrument. Sehr artikuliert. Auf Englisch würde ich es 'crispy' nennen. Dieser Anschlag ist einfach super für Carl Philipp Emanuel Bach!"
Ein neuer Flügel für Alte Musik - und das bei einer Pianistin, die auch auf dem Hammerklavier studiert hat? Sie kontert: "Das Instrument hat natürlich einen viel größeren Klang als ein Hammerflügel. Das passt auch zu der großen Seele. Es braucht ein Instrument, das diese Extreme in allen Hinsichten wirklich rüberbringt."
Und sowieso, die Musik des Vaters, so Yarden weiter, auch die der Klassiker, wird ohne Frage auf neuen Instrumenten gespielt.
Ein Gewinn für Carl Philipp Emanuel
Die CD bietet ideale Bedingungen, diese vorklassische Musik zu entdecken: Klangfunken im Spiel der Pianistin wie beim Instrument. So ist Carl Philipp Emanuel Bach bereit für neue Fans.
Cornelia de Reese, rbbKultur