Johann Georg Pisendel: Violinkonzerte © Berlin Classics
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Album der Woche | 20.03. - 26.03.2023 - Johann Georg Pisendel - "Pi"

Der Violinist Johann Georg Pisendel war einer der profiliertesten Musiker am spätbarocken Hof des sächsischen Kurfürsten, und vom Dresdner Konzertmeister sind auch ein paar Dutzend Kompositionen erhalten. Erstmals seit Jahrzehnten ist nun ein Album ausschließlich mit Werken Pisendels erschienen. Die Geigerin Mayumi Hirasaki liefert mit dem Orchester Concerto Köln eine vielfältigen und künstlerisch hochwertigen Überblick.

Mit 20 Jahren kam Mayumi Hirasaki zum Studium nach Deutschland – ihre Liebe zur Musik Johann Sebastian Bachs hatte sie hierher gebracht. Inzwischen hat sie längst die historische Aufführungspraxis für sich entdeckt und zählt seit 2011 zur Konzertmeisterriege von Concerto Köln. Im vergangenen Herbst erhielt sie erstmals die Gelegenheit, ein CD-Programm ganz nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Prima inter pares

Dass sie sich für ein Pisendel-Album entschied, hat einerseits mit der fehlenden Präsenz seiner Musik auf dem Musikmarkt zu tun. Seit Mitte der 90er Jahre hatte es kein Album mehr gegeben, das nur seiner Musik gewidmet war. Andererseits liegt es auch an der Art seiner Werke und an seinem Ruf. Der fränkische Kantorensohn Pisendel galt als umgänglicher Zeitgenosse, der sehr um das Wohl der Dresdner Hofkapelle und ihr Repertoire besorgt war. Mayumi Hirasaki wiederum wollte die CD nicht zu einer "one-woman Show" machen, sondern auch ihr Ensemble im hellsten Licht erstrahlen lassen. "Wir haben genauso fantastische Spieler im Orchester wie damals in Dresden,“ sagt sie.

Programmvielfalt

Daher stellte sie eine Abfolge ganz unterschiedlicher Werke zusammen, von Konzerten über Sonaten und eine Sinfonia bis zu einer Miniatursuite, die nach französischem Vorbild Tanzcharaktere vorstellt. Concerto Köln darf sein Können also auch in reinen Orchesterwerken präsentieren. "Ich wollte auf keinen Fall eine CD mit lauter Violinkonzerten aufnehmen", beteuert die Solistin – obwohl unter den etwa drei Dutzend erhaltenen Pisendel-Werken noch diverse Konzert-Ersteinspielungen möglich sind. Zwei Konzerte in B-Dur und Es-Dur feiern hier jedenfalls ihre Premiere auf Tonträgern. Und zu einem prachtvollen D-Dur-Konzert hat Stefan Gawlick der barocken Praxis folgend eine Paukenstimme hinzu improvisiert.

Begeisterung

Der partizipatorische Ansatz der Projektleiterin trug Früchte. Ihre Orchester-Kolleginnen und Kollegen waren mit Begeisterung dabei und dankten ihrem Fleiß mit sehr engagiertem Spiel. Sie alle nahmen klaglos die Abstandsregeln in Kauf, die infolge der Corona-Maßnahmen bei den Aufnahmen noch bestanden. Mayumi Hirasaki erinnert sich mit Humor: "Die Streicher hatten zwei Meter Abstand voneinander, die Bläser mehr als drei Meter. Von meinem Platz aus konnte ich keinen der Bläser ganz hinten mehr sehen.“

Ich kann mir vorstellen, dass Pisendel sich auch freuen würde, er als wirklich leidenschaftlicher Orchesterleiter, dass wir uns wirklich mit Liebe und Sorgfalt mit seiner Musik beschäftigt haben.

Muskelkater

Auf die Produktion hatte sich das Orchester sogar mit Workshops vorbereitet. Am anstrengendsten geriet dabei der von dem Geiger und Tänzer Yves Ytier angeleitete zweitägige Kurs für Barocktanz: "Wir waren alle super motiviert, es herrschte ein tolle Atmosphäre – und es gab Muskelkater. Als wir uns am zweiten Morgen trafen, liefen alle so ein bisschen komisch, wegen des Muskelkaters in den Waden. Bei mir war er so stark, dass ich den Fuß kaum heben konnte.“

Zufrieden

Doch die Strapazen haben sich gelohnt. Herausgekommen ist ein ebenso informativer wie unterhaltsamer Überblick über Pisendels Orchesterkompositionen. Das Orchester überzeugt ebenso wie die Solistin mit ihrem virtuosen Spiel, das dabei niemals effektheischend oder gar eitel daherkommt. Mayumi Hirasaki ist zufrieden: "Ich kann mir vorstellen, dass Pisendel sich auch freuen würde, er als wirklich leidenschaftlicher Orchesterleiter, dass wir uns wirklich mit Liebe und Sorgfalt mit seiner Musik beschäftigt haben.“

Geschmackssache

Nicht ganz so unumstritten ist die Gestaltung des CD-Covers. Die Designerin hat das Zeichen der Kreiszahl Pi in neongrüner Farbe ins Zentrum gestellt – eine eher willkürlich hergestellte Verbindung. Die Komponisten- und Interpreten-Namen verschwinden dagegen fast und auch das Booklet ist durch das intensive Grün teilweise schwer zu lesen.

Rainer Baumgärtner, rbbKultur