Album der Woche | 24.10. - 30.10.2022 - Lodestar Trio: Bach to Folk
Das Lodestar Trio hat sich 2018 gegründet und nach dem Nordstern benannt, denn es beschäftigt sich mit nordeuropäischer, genauer gesagt mit skandinavischer Volksmusik. Die Pandemie hatte die Arbeit am Debüt-Album unterbrochen. Nun ist es endlich erschienen und bietet Barockmusik, die auf Volksinstrumenten gespielt wird.
Auf die Idee, Barock-Musik für eine ungewöhnliche, vielleicht sogar einzigartige Trio-Besetzung zu bearbeiten, kam Max Baillie, der britisch-deutsche Geiger des Ensembles. Er hat die Yehudi Menuhin School in England besucht und später in Cambridge und an der Berliner Universität der Künste ein klassisches Geigenstudium absolviert. Inzwischen tritt er in vielen Ländern als Geiger und Dirigent auf.

Geige, Hardangerfiedel, Nyckelharpa
In einem YouTube-Video hatte er den Norweger Olav Luksengård Mjelva und den Schweden Erik Rydvall gesehen. Die beiden haben nicht nur Volksmusik gespielt, sondern auch zweistimmige Inventionen von Johann Sebastian Bach – auf der norwegischen Hardangerfiedel und der schwedische Nyckelharpa. Bei diesem Instrument muss der Spieler mit dem Bogen über die Saiten streichen und gleichzeitig auf Tasten drücken, um die richtigen Töne zu erzeugen.
Spielen, jammen, ausprobieren
Bach auf folkloristisch-skandinavische Art – das hat Max Baillie inspiriert und so hat er den beiden Musikern eine Mail geschrieben und sie gefragt, ob sie nicht Lust hätten, etwas zusammen zu machen. Ein paar Monate später haben sie sich in der norwegischen Stadt Røros getroffen und das erste Mal zusammengespielt, gejammt, improvisiert, vieles ausprobiert. Sie hatten ihren Spaß, die Chemie stimmte, der Sound beim Zusammenspiel auch – und so haben die drei Musiker kurz vor der Pandemie das Lodestar Trio gegründet.
Verwandlung und Groove
Auf ihrem Debüt-Album transportieren sie Barockmusik in die Klangwelt der skandinavischen Volksmusik. Solche musikalischen Verwandlungen stehen ganz in der Tradition von Johann Sebastian Bach, sagt Max Baillie:
"Johann Sebastian Bach war natürlich ein Meister der Verwandlung seines eigenen Materials. Er würde sich freuen, unsere Versionen zu hören."
Außerdem hätten Barockmusik und Volksmusik einige Gemeinsamkeiten – zum einen werden Instrumente mit Resonanzsaiten verwendet, zum anderen gibt es diesen Groove. Barockmusik sei groove based music und auch in der Volksmusik groovt es, mal langsam, mal schnell.

Barockes und Eigenes
"Bach to Folk" heißt das Album – und natürlich stehen Bach-Bearbeitungen im Mittelpunkt. Aber das Lodestar Trio hat sich auch Stücke von anderen Barockkomponisten zu eigen gemacht: von Lully, Couperin und von Tarquinio Merula. In seiner Ciaconna spielt die Nyckelharpa die sich wiederholende Bassfigur, darüber spielen Violine und Hardangerfiedel ihre schnellen Stimmen und sie haben viel Raum zum Improvisieren.
Die drei Musiker präsentieren sich nicht nur als geniale Bearbeiter, sondern auch als Komponisten. Jeder hat ein eigenes Stück beigesteuert. Max Baillie hat seins im Flugzeug geschrieben, als er auf dem Weg nach Røros war, um mit Olav Luksengard Mjelva und Erik Rydvall das Album "Bach to Folk" aufzunehmen. Er hat es "Rolling Røros" genannt und sich von seiner Vorfreude auf die Einspielung des Albums inspirieren lassen.
Imke Griebsch, rbbKultur