
Album der Woche | 12.12. - 18.12.2022 - Lucienne Renaudin Vary: Trompetenkonzerte
Sie ist 23 Jahre alt, kommt aus der tiefen französischen Provinz und sorgt in den Konzertsälen weltweit für stürmischen Applaus: die Trompeterin Lucienne Renaudin Vary. Seit 2017 steht sie auf der internationalen Bühne und immerhin drei CDs hat sie bereits aufgenommen. Jetzt ist ganz frisch ihr viertes Album mit dem schlichten Titel "Trumpet Concertos" erschienen. Mit dabei das Luzerner Sinfonieorchester unter Leitung seines Chefdirigenten, des gebürtigen Berliners Michael Sanderling.
"Die Trompete ist meine Stimme, mit ihr drücke ich mich aus. Ein Leben ohne sie kann ich mir nicht vorstellen", sagt Lucienne Renaudin Vary.
Die Trompete: Herzensanliegen und Ausdrucksmittel
"Sie ist ganz nah an meinem Herzen, ich hatte von Anfang an eine Leidenschaft für sie, wollte sie beherrschen, um meine Gefühle mitzuteilen. Weil ich damit eben so viele unterschiedliche Musikstile ausdrücken kann. Ich liebe alle Arten von Musik und möchte mich nicht auf einen Stil festlegen."
Ein "Männer-Instrument"? Falsch, falsch, falsch!
Lucienne Renaudin Vary wurde in der französischen Kleinstadt Saint-Sébastien-sur-Loire geboren und ist dort auch aufgewachsen. Mit acht Jahren hat sie die Trompete für sich entdeckt. Und, erzählt sie, sich damit gegen etliche Widerstände, auch und gerade von pädagogischer Seite, durchgesetzt.
"Das Klischee, das immer wieder geäußert wird ist, dass die Trompete ein 'Männer-Instrument' wäre. Dazu kann ich nur sagen: Falsch, falsch, falsch! Jeder Mensch kann sie erlernen, Mädchen genauso gut wie Jungs – und es werden zum Glück immer mehr Mädchen."
Voraussetzung für eine Karriere: Ein gesundes Selbstvertrauen
Für eine Karriere braucht es in den Anfangsjahren vor allem Rückhalt durch die Familie, sagt Lucienne Renaudin Vary. Denn nur dann kann ein gesundes Selbstvertrauen entwickelt werden.
"Das hat mich einfach angespornt! Ich hatte meine ersten Konzertauftritte noch in der Schule. Meine Eltern haben mich immer ermuntert und unterstützt – und dafür danke ich ihnen sehr!"
Studiert hat Lucienne Renaudin Vary am Pariser Conservatoire, und zwar sowohl klassische als auch Jazztrompete.

Vibrationen spüren - mit der Trompete tanzen
Zugute kommt Lucienne Renaudin Vary ein freundliches, bisweilen euphorisches Temperament – und das schlägt sich auch in ihren Interpretationen nieder.
"Ich mag es, im Geist zu tanzen, wenn ich spiele! Wenn ich mit einem Orchester auftrete, dann spüre ich die Vibrationen und nehme sie auf, dadurch wird die Musik einfach lebendig!"
Eine Reise durch die Geschichte des Trompetenkonzerts
Das Luzerner Sinfonieorchester, übrigens das älteste der Schweiz, hat es Lucienne Renaudin Vary ermöglicht, sich einen Traum zu erfüllen: Ein ganzes Album nur mit Solokonzerten für Trompete und Orchester, und zwar den so ziemlich populärsten überhaupt.
"Das Konzept dieses Albums ist", erzählt die Künstlerin, "eine große Zeitspanne auf dem Gebiet des Trompetenkonzerts abzuschreiten, eine Zeitspanne mit unterschiedlichen musikalischen Stilistiken. In jeder Epoche habe ich ein Lieblingskonzert, Barock, Klassik, Romantik, auch Jazz und Moderne."
Passende Hardware: Eine Trompete nach Anton Weidinger für Haydn und Hummel
Dazu passt auch die "Hardware", die Lucienne Renaudin Vary nutzt. Für die beiden aufgenommen klassischen Konzerte von Joseph Haydn und Johann Nepomuk Hummel verwendet sie ein historisches Instrument, das der Wiener Trompeter Anton Weidinger um 1800 entwickelt hat. Für das Konzert des armenischen Komponisten Alexander Arutjunjan dagegen selbstverständlich eine moderne Trompete.
"Das Konzert von Arutjunjan hat eine, ja kinematografische Dimension - das klingt sehr nach Hollywood! Deshalb liebe ich es sehr! Ich mag vor allem die unglaublich schönen Melodien im zweiten Satz! Da steckt eine unglaubliche Energie drin, das ist so kraftvoll! Und dann mit dem Volumen eines großen Orchesters hinter mir!"
Ein unverwechselbares Album
Am Ende dieser intensiven Reise durch die Geschichte des Trompetenkonzerts steht ein sehr persönliches musikalisches Statement von Lucienne Renaudin Vary: Eine Solo-Jazzimprovisation mit dem Titel "Post Scriptum on Haydn". Nicht nur die macht dieses Album absolut unverwechselbar.
Claus Fischer, rbbKultur