Album der Woche | 20.02. - 26.02.2023 - Matthias Goerne: Schubert Revisited
Der Bariton Matthias Goerne gehört zu den profiliertesten Interpreten auf dem Gebiet des Kunstliedes, auch wenn er inzwischen im internationalen Maßstab eher als Opernsänger wahrgenommen wird. Auf seinem neuen Album "Schubert revisited" bringt er nun gewissermaßen die beiden musikalischen Welten, in denen er lebt, zusammen. Er besucht das Repertoire wieder, das er seit mittlerweile drei Jahrzehnten pflegt: Schubert-Lieder, präsentiert in neuen Arrangements für Orchester. An seiner Seite musiziert die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen.
"Bei Liedern wie dem 'Erlkönig' muss man schon richtig singen und auch bei 'Fahrt zum Hades' gibt es einen sehr starken theatralischen Ansatz – da merkt man schon, ob man Oper gemacht hat oder nicht!“

Schubertlied und Oper - eine Wechselwirkung
Matthias Goerne kennt den riesigen Corpus der Lieder Franz Schuberts genau, fast alle hat er im Konzertsaal mit Klavierbegleitung aufgeführt. Und etliche auch in Bearbeitungen für Orchester - etwa von Johannes Brahms, Hector Berlioz oder Max Reger.
"Die habe ich - salopp gesagt - rauf und runter gesungen, war aber eigentlich nicht so ganz überzeugt. Der sehr, sehr romantische Gestus der Brahms-Orchesterfassung hat auf eine bestimmte Art und Weise auch etwas unmöglich gemacht: Ein bißchen zu dick, ein bißchen zu laut, ein bißchen zu wenig Schubert am Ende."
Neue Bearbeitungen für Orchester arrangiert im "schubert‘schen Gestus"
Über diese Schwierigkeiten tauschte sich Matthias Goerne mit dem Pianisten und Liedbegleiter Alexander Schmalcz aus: "Wir haben bestimmt fünf, sechs, sieben Konzerte im Jahr zusammen, sind eng befreundet und verbringen relativ viel Zeit miteinander."
Und so kam Alexander Schmalcz auf die Idee, einige Lieder neu zu arrangieren - aber, betont Matthias Goerne, im schubert´schen Gestus: "Uns war sehr wichtig, dass der Gehalt des Stückes weder minimiert noch durch das Orchester aufgeblasen wird. Es gibt keine Parallelstimmen, also keine neu dazukomponierten Melodien – es sind wirklich nur die Strukturen von Schubert übernommen vom Klavier und auf das Orchester übertragen.“
Positiver Zugewinn durch das Orchester
"Ich würde sogar so weit gehen, dass es Stücke gibt, bei denen es wirklich einen positiven Zugewinn gibt im Verhältnis zum Klavier", betont Matthias Goerne. "Zum Beispiel 'Des Fischers Liebesglück', die Variationen über verschiedene Instrumente: Diese solistisch einzusetzen bei diesem sehr, sehr langen Strophenlied, ist nicht nur etwas anderes - das Lied wird dadurch in gewisser Hinsicht auf ein noch höheres Niveau gehoben."
Das passende Orchester: die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Für die Realisierung ihres gemeinsames Schubert-Projekts kam für Sänger Matthias Goerne und Arrangeur Alexander Schmalcz nur ein Orchester in Frage: die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Matthias Goerne schätzt an den Mitgliedern besonders deren Virtuosität und "die tiefe individuelle Musikalität, die sich dann aber in einem ganz großen gemeinsamen Musizieren wiederfindet!“
Die Aufnahme der neuen Schubert-Lied-Arrangements erfolgte ohne Dirigent. Florian Donderer, der Konzertmeister der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, gab zwar dezent Anleitung, aber lediglich als Primus inter pares. Das sorgte, so Matthias Goerne, für eine besondere Intensität währen der Aufnahme. "Weil jeder einzelne letztendlich die Verantwortung übernehmen muss für sein eigenes Spiel und sich nicht darauf verlassen kann, dass ein Dirigent ihm Zeichen für schneller, langsamer, lauter etc. geben wird."
Interessantes Programm - auch selten zu hörende Schubert-Lieder
Neben einigen der bekanntesten Lieder Franz Schuberts finden sich auf dem Album auch etliche, die man seltener im Konzertsaal hört, etwa die drei "Gesänge des Harfners" aus Goethes "Wilhelm Meister". Von ihnen gab es bislang noch überhaupt keine Bearbeitung für Orchester, nimmt Matthias Goerne an: "Die Treffsicherheit, mit der Schubert genau auf diese drei Gedichte gestoßen ist, zeigt auch, dass er in seiner Zeit einer der profundesten Kenner vergangener, aber auch seiner eigenen Gegenwartsliteratur war."
"An Silvia" - der Diamant unter den Schubert-Liedern
Besonders eindrücklich erweist sich Schuberts Umgang mit der Literatur in seiner Vertonung des Gedichts "An Silvia" von William Shakespeare. Ein Diamant, der, so Matthias Goerne, in der neuen Orchestrierung noch stärker glitzert: "Man fängt an und singt zwei Töne - und schon mit dem Vorspiel verzaubert das die Menschen. Das Zu-Herzen-Gehende und das unmittelbar Soziale, das sich im Hören dieses Liedes ausdrückt, ist einmalig!"
Claus Fischer, rbbKultur