Album der Woche | 17.10. - 23.10.2022 - Max Volbers & Gäste: "Whispers of Tradition"
Im vergangenen Jahr hat mit Max Volbers erstmals ein Blockflötist den seit 1975 bestehenden Deutschen Musikwettbewerb gewonnen. Ein Teil des Preises bestand in der Produktion einer CD. Diese ist nun erschienen, das Debüt-Album des in Salzburg lebenden Münsteraners. Seine "Flüstereien der Vergangenheit" überraschen mit großer Vielfalt – zusätzlich zu enormer Virtuosität.
Fast immer sind die von Wettbewerben gesponserten Preisträger-CDs Solo- oder Duoaufnahmen. Max Volbers hingegen hat elf befreundete Kolleginnen und Kollegen dabei, wofür er "keine Kosten und Mühen gescheut" habe. Es ging ihm darum, möglichst viele der Varianten vorzuführen, in denen die Blockflöte in der Renaissance- und Barockzeit verwendet wurde.

Abwechslung
Und dabei hat er auf das Naheliegendste sogar verzichtet, denn ein Stück mit der Flöte ganz allein ist nicht vertreten. Dafür wechseln sich sie Klangerlebnisse ansonsten munter ab, von Konzerten zu Suiten, verzierten Madrigal-Adaptionen und Sonaten. Sogar eine Auftragskomposition des jungen Griechen Thanos Sakellaridis für zwei eckig gebaute Paetzold-Kontrabassflöten ist dabei. Der Entstehungsprozess des stakkatoartigen Stückes sei ein munteres "Pingpong" mit dem Komponisten gewesen, sagt Volbers.
Königsdisziplin
Auf zwei Tracks des Albums tritt Volbers zusammen mit drei ehemaligen Mitstudentinnen und -Studenten aus der Klasse seiner Salzburger Lehrerin Dorothee Oberlinger auf. Stücke für Blockflötenconsort zu präsentieren, war ihm besonders wichtig. Nicht nur, weil diese Art von Ensemble im 16. Jahrhundert besonders beliebt war, sondern auch, da er es für die "Königsdisziplin" für sein Instrument hält. Und zwar, "weil es so lange dauert, bis es überhaupt intonatorisch stimmt, bis man wirklich wie aus einem Guss spielt, so dass es wie eine lebendige kleine Orgel klingt."
Bearbeitungen
Bei den beiden mit Consort aufgeführten Stücken handelt es sich ursprünglich um geistliche Motetten. Insgesamt wurden nur zwei der neun Werke des Albums für die Blockflöte komponiert bzw. bereits in der Entstehungszeit auch für das kleine Holzblasinstrument herausgegeben. Derartiges Umarbeiten hat aber immer schon eine große Rolle gespielt, sagt Max Volbers, "weil das Repertoire, das originär für unser Instrument geschrieben ist, relativ klein ist – das war auch im 18. Jahrhundert schon so. Und der Gedanke der CD ist, Musik zu spielen, die es theoretisch hätte geben können, die es aber nur vielleicht so gegeben hat."
Fantasie
Bei der Adaption von Madrigalen und Tänzen offenbart der 28 Jahre alte Musiker besonders viel Fantasie. Das musikalische Material von Claudio Monteverdis spätem Madrigal "Hor che’l ciel e la terra" hat er zu einer mehrteiligen Sonate verarbeitet. Dagegen hat er Palestrinas Madrigal "Vestiva i colli" für Duo gesetzt und es dabei im Stile der Zeit kunstvoll diminuiert, also die Intervalle mit kleineren Notenwerten ausgeziert. Und über den "Dance of a Chinese Man and Woman" aus Henry Purcells "Fairy Queen" hat Volbers eine augenzwinkernd mit Harmonien und Klangeffekten spielende Variationsreihe geschaffen.
Virtuos
Diese Stücke lösen den Untertitel des Albums, "(re)inventions for recorder",(Wieder-)Erfindungen für die Blockflöte, exemplarisch ein. Und in ihnen allen führt Volbers sein fabelhaft virtuoses Spiel vor, das dabei nie zu reiner Artistik verkommt. Von seinen meist jungen Mitmusikern wird er dabei trefflich unterstützt, insbesondere vom ebenfalls schon mit Preisen dekorierten Alexander von Heißen, der Cembalo und Claviorganum spielt – eine Kombination von Cembalo und Orgel.
Pausen
In zwei Sätzen der "Troisième Suite" des Franzosen Charles Dieupart dürfen von Heißen bzw. der Gambist Robert Smith und der Lautenist Axel Wolf ihr Können sogar ohne den Anführer zeigen. Mit Blick auf die Konsumenten gönnt sich Volbers hier Pausen. Dazu erklärt er lachend: "Ich finde es wirklich schön, wenn – sowohl in Konzerten als auch auf CD-Aufnahmen – man mal ein bisschen Ruhe hat von der Flöte oder von welchem Instrument auch immer."

Konzerte
Eingerahmt wird das Ganze von zwei Konzerten, die er für sein Instrument bearbeitet hat. Den Anfang macht ein "Pasticcio Concerto" auf der Basis von drei Sätzen aus Cembalo- und Violinkonzerten Johann Sebastian Bachs. Und den Abschluss bildet ein Violinkonzert von Antonio Vivaldi, das der Venezianer ursprünglich als Concerto für Sopraninoblockflöte zu schreiben begann, bevor er es für Violine vollendete. Diesen Prozess hat Max Volbers umgedreht, soweit möglich, denn "man sieht ja, dass Vivaldi die Flöte ganz anders behandelt als die Geige. Da habe ich nicht versucht, das irgendwie für mich spielbar zu machen, sondern die harmonische Struktur genommen und etwas Flötistischeres darüber komponiert."
Werbung
Um seinen bedeutenden Gewinn beim Deutschen Musikwettbewerb macht Max Volbers nicht viel Aufhebens – obgleich er sich in der Endrunde gegen fast einhundert Konkurrenten durchsetzte, die mit acht weiteren Instrumenten antraten. Er freut sich, dass er als Preisträger auf Jahre hin gefördert wird, und dass er mit seinem Erfolg der immer noch oft belächelten Blockflöte ein wenig mehr Ansehen verschaffen konnte.
Mit seinem ungeheuer klangfarbenreichen und virtuosen Debüt-Album jedenfalls betreibt er allerbeste Werbung für sein Instrument.
Rainer Baumgärtner, rbbKultur