Album der Woche | 08.05. - 14.05.2023 - Prisma: In the Streets of London
Das Alte Musik-Quartett PRISMA bestätigt auch auf seinem dritten Album seinen Ruf als quicklebendiges Ensemble, das nichts auf ausgetretene Pfade gibt und seinen eigenen Stilmix kreiert. Diesmal hat es sich musikalisch auf die britischen Inseln begeben und präsentiert Musik zwischen Folk und Theaterbühne, zwischen mitreißenden Tänzen und sehnsuchtsvollen Balladen.
Man merkt dem 2014 gegründeten Ensemble seine prägenden ersten Jahre an. Zwar hatten sich vier Absolventen der Musikhochschulen in Bremen und Hannover für einen österreichischen Musikwettbewerb zusammengefunden. Dann aber nahm sie das europäische Förderprogramm "EEEmerging" für drei Jahre unter seine Fittiche. Dort wurde insbesondere auf die Bühnenpräsentation und das Entwickeln frischer, publikumswirksamer Konzertprogramme Wert gelegt.
Story
"Im Moment des Spielens wollen wir die Zeit, die das Publikum uns zur Verfügung stellt und uns anvertraut, so unterhaltend wie möglich gestalten", erklärt Elisabeth Champollion, die Flötistin von PRISMA. "Das Allwichtigste ist die gute Story, also musikalisch einfach eine unter-haltende, gute, tiefgründige, klug durchdachte Story zu liefern.“
Im Pub
Die Geschichte, die das Album "In the Streets of London" schreibt, soll in einer englischen Kneipe des 17. Jahrhunderts spielen. Dort findet sich eine Gruppe von Musikern zusammen, die spontan eine Session beginnen mit bekannten Melodien der Zeit. Die Wechselwirkung zwischen der Volks- und der Kunstmusik war damals sehr ausgeprägt, so dass John Playford aktuelle populäre Weisen in seiner Sammlung "The Dancing Master" aufzeichnete und sich umgekehrt neu geschaffene Airs von Henry Purcell als Ohrwürmer im Land verbreiteten.
Bunter Reigen
PRISMA liefert auf dem Album eine abwechslungsreiche Folge von irischen und schottischen Traditionals und von Melodien, die englische Komponisten wie Purcell und John Eccles komponiert haben. Hinzu kommen jüngere Ausreißer: die aus dem 19. Jahrhundert stammende "Londonderry Air" und Ralph McTells Folksong von 1969, "The Streets of London".
Alles fügt sich getreu dem Ziel des Ensembles zusammen, wie es Elisabeth Champollion formuliert: "Es soll Grenzen sprengen im lustvollen, fröhlichen Sinn.“
Balladen
Zwischen die unwiderstehlichen schnellen Jiggs und Reels streut PRISMA gelegentlich langsame Stücke ein und sorgt auch auf diese Weise für Abwechslung. So "singt" Champollion auf ihrer Blockflöte eine Arie aus der Semi-Oper "The Fairy Queen" und Alon Sariel überrascht mit seiner Mandoline als Solist von Purcells "Music for a While". Der instrumentale Ablauf des Albums wird an zwei Stellen durchbrochen, wenn Franciska Anna Hajdu, eigentlich Geigerin, und Soma Salat-Zakariás, eigentlich Gambist, ein schottisches und ein irisches Traditional singen.
Soloeinlagen
Jede und jeder der fünf Beteiligten darf sich solistisch in Szene setzen, auch der Freiburger Gastmusiker Murat Coşkun, der in etwa der Hälfte der Stücke geschmackvolle und virtuose Perkussions-Unterstützung leistet. "Es ist uns wichtig, dass sich alle Ensemblemitglieder mit ihrer Persönlichkeit vorstellen können", betont Elisabeth Champollion. "Das funktioniert ein bisschen wie eine Jazzband und wir hören uns in Proben und Konzerten mit großer Freude gegenseitig zu."
Vorlauf
Was auf dem Album so locker-flockig daherkommt mit einem Repertoire, das "irgendwie sehr partymäßig" klingt (Champollion), ist allerdings das Produkt harter Arbeit. In der Anfangsphase des Projekts hat sich das Ensemble von einer befreundeten schottischen Geigerin in die Feinheiten der irischen und schottischen Volksmusik einweihen lassen. Und die genaue Abfolge des Programms hat es eine Woche lang zusammen mit dem Berliner Geiger und Musiktheater-Regisseur Tristan Braun erarbeitet.
Ausgelassen
Die musikalische Kneipentour (nicht nur) des 17. Jahrhunderts ist ein stimmungsvolles, kurzweiliges und gute Laune bereitendes Programm. Dazu passt, dass PRISMA das Album bei bestem Strandwetter in Apulien aufnehmen konnte, "zwischen Arbeit und Urlaub. Die eingängigen Stücke empfanden wir für die ausgelassene und gelöste Stimmung, die wir in Süditalien hatten, als Ensemble total passend."
Rainer Baumgärtner, rbbKultur