Album der Woche | 13.02. - 19.02.2023 - Raphaela Gromes: Femmes
Der Name ist Programm: "Femmes" – das ist ein Album rund um Frauen in der Musik. Die Cellistin Raphaela Gromes hat sich quer durch die Stücke von Komponistinnen recherchiert und hatte dabei einige Mühe, sich zwischen den vielen großartigen Stücken zu entscheiden. Denn auch auf einer Doppel-CD ist nur begrenzt Platz. Gemeinsam mit ihrem Duopartner Julian Riem und dem Streichorchester Festival Strings Lucerne schafft sie so einen geschmackvolles "Best of" – mit Originalen und Bearbeitungen aus fast einem Jahrtausend.

"Femmes" – "Frauen": Dieses Album ist ein Statement. Raphaela Gromes hat gemeinsam mit ihrem Duopartner, dem Pianisten und Arrangeur Julian Riem, nach Musik von Komponistinnen gesucht und mehr gefunden, als erwartet. Nach einem Telefonat mit dem Label gab es grünes Licht für ein Doppel-Album. Die erste CD ist überwiegend mit Opernarien und Klavierwerken bestückt – vom ausgehenden Mittelalter bis in die Zeitgenössische Musik hinein. Alles bearbeitet von Julian Riem für Streichorchester und Cello. Auf der zweiten CD finden sich dann Originalwerke für Cello und Klavier.
Entdeckerfreuden
"Femmes" ist ein kurzweiliges Album, das wirklich viel zu entdecken bietet. Mit Verve ergreift Raphaela Gromes die Zuhörenden und zeigt ihnen stolz, was sie alles gefunden hat. Besonders beeindruckend ist, wie sie die Klänge gleichzeitig mit kindlicher Begeisterung und zielgerichteter Reife führt. Die Festival Strings Lucerne und Julian Riem sind dabei großartige Partner: kräftig, wendig, humorvoll. Julian Riems Arrangements sind klug gemacht und wirken wie maßgeschneidert für Orchester und Solistin. Der Gesamtklang ist würdevoll, aber nicht pathetisch, schneidig, aber nicht brutal.
Trotzdem sind die intimeren Original-Kompositionen auf der zweiten Hälfte des Albums der eigentliche Schatz. Das blinde Vertrauen zwischen Raphaela Gromes und Julian Riem, der dabei am Klavier sitzt, überträgt sich auf die Zuhörenden. Die Souveränität der beiden verschafft einen vollkommenen Hörgenuss. Raphaela und Julian sind die perfekten Reiseführer auf den verschlungenen Pfaden der verschiedenartigen Kompositionen.
Wo sind die garstigen Töne?
So richtig schräge Klänge findet man auf "Femmes" nur in homöopathischen Dosen. Das hat einen simplen persönlichen Grund für Raphaela Gromes:
"Wir hatten natürlich auch sehr viele moderne Musik, die wir uns angeschaut und überlegt haben, aufs Album zu nehmen - moderne E-Musik, bei der dann tatsächlich keine Harmonie und Melodie mehr zu erkennen ist, die ich super toll finde im Konzert. Aber ich selber höre diese Musik tatsächlich ungern auf CD. Ich finde, sie transportiert sich nicht so eindeutig lupenrein wie die anderen Stücke, die ja auch über die emotionale Berührung, über Harmonie und Melodie kommunizieren."
Bei ihren Konzerten, sagt Raphaela, bringt sie auch die dissonanteren Kompositionen mit Liebe auf die Bühne. Das Album "Femmes" ist dagegen sehr zugänglich. Das gilt sogar dann, wenn sich dort emotionale Abgründe auftun.

Pro statt Contra
Dass Raphaela Gromes bei so wenig Platz für so viel gute Musik trotzdem drei Männern – Purcell, Mozart und Bizet – Raum gibt, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Auf den zweiten wird klar, dass es sich um Arien von starken Frauenfiguren handelt. Außerdem, betont die Cellistin, geht es ihr nicht darum, Männer auszuklammern:
"Ich finde auf keinen Fall, dass es so gelesen werden soll, dass ich keine Komponisten mehr spielen will oder dass ich etwas gegen alte weiße Männer hätte – was ich auch manchmal gefragt werde in Interviews. Das ist wirklich gar nicht mein Anliegen mit der CD. Ich finde, das eine schließt das andere nicht aus. Ich habe die Frauen aufgenommen, weil ich von den Werken überzeugt war. Es geht mir einfach um die Genialität und die Begabung dieser Frauen."
Ein Album für alle
Von tiefem Schmerz bis zur schallenden Komik ist auf Raphaela Gromes Album "Femmes" alles vertreten. Es ist großartig für alle, die immer schon mal mehr Musik von Frauen entdecken wollten. Und für diejenigen, die diesem Konzept noch misstrauen, ist "Femmes" eigentlich noch besser.
Konrad Bott, rbbKultur