Seong-Jin Cho: The Handel Project © Deutsche Grammophon
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Album der Woche | 06.03. - 12.03.2023 - Seong-Jin Cho: "The Handel Project"

Der erste Preis beim renommierten Chopin-Wettbewerb 2015 in Warschau brachte dem südkoreanischen Pianisten Seong-Jin Cho den internationalen Durchbruch. Knapp 21 Jahre war er jung, inzwischen ist er 28. Zu Cho’s Repertoire gehörten bislang Chopin und Debussy, ebenso wie Schubert, Wagner oder Liszt. Jetzt widmet er sich erstmals einem Komponisten des Barock: Georg Friedrich Händel.

Seong-Jin Cho, Pianist © Stephan Rabold
Seong-Jin Cho | Bild: Stephan Rabold

Wie eine Opernarie lässt Seong-Jin Cho in der Suite Nr.2 in F-Dur seine rechte Hand auf dem Flügel singen – die linke Hand begleitet, ja trägt den Gesang.

Händels Erstlingswerk für Klavier

Händel war seinerzeit als Komponist von Opern und Oratorien bekannt. Die acht Suiten aus dem Jahr 1720 sind sein Erstlingswerk für Klavier bzw. das Cembalo.

Seong-Jin Cho entdeckte sie während der Pandemie für sich. Er habe sie in der Einspielung von Swjatoslaw Richter gehört.

"Sie sind so melodisch, manchmal lyrisch - sie gehen direkt ins Herz. Ich dachte sofort: die muss ich unbedingt spielen oder gar selbst aufnehmen.“

Klangfülle und Mehrstimmigkeit

Erzählt Seong-Jin Cho. Ihn fasziniere die Mehrstimmigkeit, die ihn an ein Concerto Grosso erinnerten. Obgleich "nur" für ein Tasteninstrument geschrieben, hätten die Suiten die Klangfülle von Orchesterstücken.

Während Seong-Jin Cho die Suiten spielt, stets mit nur wenig Pedal, stelle er sich verschiedene Orchesterstimmen vor:

"Zum Beipiel denke ich: ah, hier klingt es wie eine Oboe – und die rechte Hand klingt wie ein Cello. Ich versuche dann, den Klang von Cello und Oboe auf dem modernen Konzertflügel wiederzugeben.“

Nur selten auf den Konzertprogrammen

Drei der acht Suiten hat der preisgekrönte Pianist für sein Album ausgewählt. Jede hat ihren eigenen Charakter, jede ist auf ihre Art schön. Ihre kunstvoll gegliederte Anordnung bringt Pracht und Überfluss zum Ausdruck. Sehr zu Unrecht werden diese Werke nur selten im Konzert gespielt.

Die Variationen führen von Händel zu Brahms

Seong-Jin Cho nähert sich Händel in seinem Album auch noch auf andere Weise:

Durch die Händel-Variationen von Johannes Brahms. Ein Pfad, der vom Barock in die Romantik führt. Über 150 Jahre liegen zwischen Händel und Brahms.

Für den Südkoreaner gehören diese Variationen zu den besten, die je für das Klavier geschrieben wurden. Brahms habe den Händel’schen Geist beibehalten. Zugleich habe er es geschafft, seine eigene Stimme durchklingen zu lassen. Seine eigene Persönlichkeit. Auch die Fuge am Schluss bleibt, wie die insgesamt 25 Variationen, formal am Thema – und führt doch weit hinaus.

"Ich könnte nicht sagen: das eine ist Händel, das andere Brahms. In den Variationen sind beide miteinander verwoben.“

Das gefalle ihm an diesem Stück, so Seong-Jin Cho.

Ein "romantischer" Händel als Bonustrack

Am Ende des Albums kommt der Pianist noch einmal auf Händel allein zurück: Mit einer Sarabande aus einer der neun späteren Suiten des Komponisten.

Der eigentliche Bonustrack aber ist das Menuett in g-moll, in einem Arrangement von Wilhelm Kempff. Hier zeigt Cho, wieviel Romantik in Händel bereits steckt.

Seong-Jin Cho ist mit seinem "Händel-Projekt" und seiner Erkundung des Barock ein Ausflug in die Vergangenheit gelungen, der bis hinein in die Gegenwart führt: direkt in Ohr und Herz.

Antje Bonhage, rbbKultur