Xenia Löffler: Oboenkonzerte am Hof von Thurn und Taxis © Accent
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Album der Woche | 06.02. - 12.02.2023 - Xenia Löffler: Oboenkonzerte am Hof von Thurn und Taxis

Bei einer Recherche stieß die Berliner Oboistin Xenia Löffler auf die Archivalien der Fürsten von Thurn und Taxis. Als sie herausfand, dass dort einhundert Oboenkonzerte lagern, war die Idee für ein neues Soloprojekt geboren. Vier dieser Werke hat sie nun mit der Batzdorfer Hofkapelle herausgebracht, drei davon in Erstaufnahmen. Es sind luftige galante Werke, die einen Eindruck von der Kultur am Regensburger Hof vermitteln.

Bis sie das Projekt realisieren konnte, musste die Musikerin allerdings noch einiges an Mühe und Geld investieren. Denn die fürstlichen Manuskripte sind nicht digitalisiert. Löffler berichtet:

"Wenn man sich für spezielle Noten interessiert, schreibt man dort hin, und dann gehen die, glaube ich, tatsächlich mit einem Fotoapparat in den Keller oder wo auch immer die Noten gelagert sind, holen sich dann die entsprechende Mappe raus, machen Fotos davon – teilweise auch nicht ganz scharf, also manchmal musste ich auch noch nachfragen, ob sie noch ein zweites Mal hingehen können – und schicken einem das dann."

Entdeckungen

Jede kopierte Seite muss bezahlt werden, daher bedeutete die Recherche eine größere Investition. Die habe sich aber gelohnt, ist Xenia Löffler überzeugt. Etwa acht Konzerte studierte sie gründlich, und vier davon wählte sie für die Aufnahme aus. Bei den beiden Kompositionen von Franz Xaver Kerzelli alias Francesco Saverio Cherzelli scheint es sich sogar um die ersten Einspielungen mit Werken dieses Komponisten überhaupt zu handeln.

Verschlungene Wege

Wie die Konzerte Kerzellis nach Regensburg kamen, ist unklar. Denn der aus Wien stammende Komponist wirkte weit weg am Hof des letzten Kosaken-Hetmanen in der Nordukraine und danach in Sankt Petersburg und Moskau. Bei einem Konzert des Spaniers Joan Baptista Pla, das womöglich auch von einem Bruder von ihm stammt, könnte der Weg klarer sein. Denn Theodor von Schacht hat Pla wohl am Stuttgarter Hof getroffen, bevor er Musik- und Opernintendant in Regensburg wurde. Von Schacht selbst ist mit einem besonders originellen Werk auf dem Album vertreten, mit seiner "Concertante a tre oboi".

Xenia Löffler, Oboistin © Daniel Maria Deuter
Bild: Daniel Maria Deuter

Galante Werke

Die Entstehung der Konzerte liegt teilweise drei Jahrzehnte auseinander, in einer Phase in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in der sich die Musik stetig weiterentwickelte. Dennoch besitzen sie alle eine ganz ähnliche Anmutung. Es sind heitere galante Kompositionen in Dur-Tonarten.

"Es ist bei Kerzelli schon galant und bei Schacht ist es irgendwie noch galant. Vielleicht zeigt das, dass der Musikgeschmack dort am Hof von Thurn und Taxis relativ stabil geblieben ist“, erklärt Xenia Löffler.

Reichtum

Der Charakter der Werke dürfte die Situation bei den Regensburger Fürsten widerspiegeln:

"Die Musik vermittelt für mich, dass sie wenig Sorgen hatten an dem Hof. Denen gings rundum gut, die sind vermutlich im Geld geschwommen“, meint Löffler.

Dank seines Postmonopols im gesamten Römisch-deutschen Reich erzielte der Fürst sagenhafte Einnahmen. Eine repräsentative Hofhaltung war da Pflicht, hochwertige Hofmusik inklusive. Zeitzeugen zufolge habe der Adelige die Bewohner der Reichsstadt aber an vielen Vergnügungen beteiligt.

Striche

Die handschriftliche Partitur von Kerzellis F-Dur-Konzert entpuppte sich für Xenia Löffler als erhellendes Dokument. Denn im Finale des Werkes sind einzelne Takte oder gar ganze Passagen durchgestrichen. In den Einzelstimmen, die für die Aufführung gefertigt wurden, tauchen diese Stellen nicht mehr auf. Über den Schraffierungen sind in Rotschrift die Worte difficile, piu difficile, impracticabile und impossibile vermerkt. Die Entdeckerin vermutet:

"Das muss der Oboist gewesen sein, der sich mit dieser Partitur befasst und festgestellt hat, dass er vielleicht in der Kürze der Zeit seiner Vorbereitung für die Aufführung dort am Hof bestimmte Sachen so ohne weiteres nicht spielen kann.“

Löffler hat das Gestrichene rekonstruiert und sich viel Zeit für das Üben genommen, um die schwierigen Stellen gut darzustellen.

Mit diesem ungewöhnlichen Geschnatter von drei Oboen – da hab mir manchmal drei Kaffeetanten vorgestellt, die sich an einem Nachmittag bei einem Stück Kuchen treffen und die Erlebnisse der letzten Woche austauschen.

Oboengeschnatter

Das interessanteste Werk des Albums ist die Concertante für drei Oboen von Theodor von Schacht. Xenia Löffler hat sie zusammen mit ihren befreundeten und sehr geschätzten Kollegen Michael Bosch und Alfredo Bernardini realisiert. In dem Werk sticht vor allem der ausgedehnte Kopfsatz heraus. Er enthält eine lang gezogene Fuge für die drei Solostimmen – ein besonderer Spaß für die Interpreten.

"Das ist so unterhaltsam und so lustig, dass das eigentlich jeder Zuhörerin, jedem Zuhörer ein Lächeln auf die Lippen zaubern müsste. Mit diesem ungewöhnlichen Geschnatter von drei Oboen – also, ich hab mir manchmal so drei Kaffeetanten vorgestellt, die sich an einem Nachmittag bei einem Stück Kuchen treffen und die Erlebnisse der letzten Woche austauschen.“

Stimmig

Mit ihrem neuen Album zeigt Xenia Löffler, dass in der Musikbibliothek der Thurn und Taxis noch so manche Schätze schlummern. Die Solistin spielt ausdrucksstark und stilsicher, jederzeit aufmerksam unterstützt von der fast zwanzig Personen starken Batzdorfer Hofkapelle. Bei der Organisation des Projekts war Konzertmeister Daniel Deuter eine große Hilfe, und die Aufnahme selbst wurde zu einer "beglückenden" Erfahrung. Aber schließlich ist der Geiger ja auch Xenia Löfflers Ehegatte.

Rainer Baumgärtner, rbbKultur