Deutsche Oper Berlin - "Dinorah"
Als Jakob Meyer Beer in der Mark Brandenburg geboren, ging er nach Italien, lernte den Belcanto und wurde berühmt als Giacomo Meyerbeer. In Paris gelang Meyerbeer der große Durchbruch, denn er schrieb die besten Grand Opéras seiner Zeit. Davon kann man sich nun in der Deutschen Oper überzeugen.
Eine konzertante "Dinorah" der Deutschen Oper, das gab's schon einmal – vor sechs Jahren. Drei Sänger sind identisch, es entstand damals sogar eine CD-Gesamtaufnahme. Das Werk ist unbekannt, auch wenn es eine der berühmtesten Meyerbeer-Arien enthält ("L'hombre légère"). Es stammt von einem nicht sonderlich beliebten Komponisten (nur halb voll, der Saal). Giacomo Meyerbeer, um hier mal ein Geheimnis zu verraten, ist ein Gift, mit dem man selbst eingefleischte Opern-Fans in die Flucht schlagen kann.
Warum dann? Weil die Aufführung zu einem Meyerbeer-Zyklus gehört, den man hier großflächig wieder aufnimmt (es gibt auch noch gute szenische "Hugenotten" und den "Prophète"). Dieser Zyklus war gewiss nie ganz leicht zu verkaufen, und wurde gelegentlich vom Publikum bestöhnt. Dennoch hat er den Komponisten stark wieder durchgesetzt. Meyerbeer wird heute international wieder recht viel gespielt. Diesen Wiederanstoß darf man honorieren.
Absurde Handlung
Die Aufführung ist nicht ganz so gut besetzt wie damals (als man mit Patricia Ciofi eine hochvirtuose, wenn auch sehr italienische Titelheldin aufbot). Die spanische Sopranistin Rocío Perez, viel jünger, verfügt nicht über eine ganz so akrobatisch fokussierte Stimme. Auch hat ihr Französisch einen leicht spanischen Einschlag ("prrändrre" statt "prendre").
Rocío Perez bringt stattdessen viel mehr Jugend, ein seltenes Opern-Gut, mit ein. Das bekommt ihren Trillerpfeifen-Koloraturen vorzüglich. Und ist doppelt passend, da es ja hier um eine junge Hirtin geht, die wahnsinnig geworden ist und mit ihrer Ziege durch die Berge zieht. Wobei sie ihren abhanden gekommenen Liebhaber wiedertrifft, der kurz auf Schatzsuche gegangen war. Eine absurde Handlung, die man als Argument für die wundervolle Vollmeise anführen könnte, durch welche sich die französische Oper des 19. Jahrhunderts auszeichnet. Köstlich.
Dass das Werk selten ist, liegt gewiss auch an der Ziege. Und daran, dass es Komödien in der Oper schwerer haben. Ziegen habe ich meinerseits gewiss schon viele auf der Bühne gesehen, zum Beispiel bei Frank Castorf. Sie sind gute Darsteller, sehr bühnenverträglich. Kommen aber nur dann ins Spiel, wenn sie eigentlich nicht nötig wären. Im Libretto vorgesehen, empfinden die meisten Regisseure Ziegen für unter ihrer Würde
Auf leichten Füßen
Trotz Happy End klingt alles durchaus nach Grand opéra – erkennbar an einer gewissen, feierlichen Pompösität. Dirigent Enrique Mazzola bringt das auf erstaunlich leichte Füße. Das Orchester der Deutschen Oper hat einen guten Tag. Philippe Talbot (als Corentin) ist einer der wenigen französischen Tenor-Buffos, die ich überhaupt erlebt habe. Régis Mengus kommt an die Spannkraft seine Vorgängers von damals (Etienne Dupuis) nicht ganz heran.
Man amüsiert sich leidlich. Vielleicht auch, weil man endlich mal sehen kann, wie Gideon Poppe wirklich aussieht (der sonst immer nur irgendwo mit dabei ist). Es pflegt die Kontakte. Wie der ganze Abend.
Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur