Konzerthaus Berlin - Sir Andrew Davis, Julia Hagen und das Rundfunk-Sinfonierorchester Berlin
Da gibt es einmal die seltene Gelegenheit, ein englisches Programm mit viel Erkenntnis und Vergnügen zu hören, und schon ist der Saal nur halb voll. Die drei Werke des Abends entstanden zwischen 1919 und 1945 und bewiesen einmal mehr, dass man in England auf einer Insel ist, die sich nicht so leicht von der Moderne des Kontinents beeinflussen ließ.
Ein starker Sinn für Tradition, für Handwerk, eine Nostalgie angesichts untergehender Größe und Bedeutung, auch viele sehr landschaftlich wirkende Musik war geboten. Andrew Davies dirigiert ohne Taktstock, sehr souverän und gelassen, das erwirbt man in einem langen Dirigentenleben.
Ein aufmerksames, vielfältiges Gespräch des Orchesters
Michael Tippets kleine Stücklein würde man kaum 1945 erwarten, polierte, klassizistische, aber doch nicht beliebige Musik, durchaus mit Humor, fast wie ein schöner Einrichtungsgegenstand in einer Villa.
So ganz anders dann dass durch Jaqueline du Pré vorgepräge Elgar Cellokonzert. Julia Hagen brauchte eine Weile, um über ihr Instrument hinauszuwachsen, mit dem locker verteilten Publikum Kontakt aufzunehmen. Ganz gelang ihr dies im sehr berührenden, innigen langsamen Satz, hier spürte man durchaus etwas Besonderes. Dass sie in ihrem Alter noch nicht so den Sinn für rückwärts gewandte Nostalgie hat, ist auch verständlich. Dafür konnte man ein sehr aufmerksames, vielfältiges Gespräch des Orchesters bewundern, besonders in den Bläserpassagen.
Nostalgische Utopie bei Ralph Vaughan Williams' 5. Sinfonie
1943 fallen in London die Bomben - und Ralph Vaughan Williams' 5. Sinfonie zeigt keinerlei Spuren davon. Allerdings spürt man auch hier eine nostalgische Utopie, ein England mit herrlichen Landschaften, Choralgesang und alten Tonarten. Der stille Schluss wirkt in diesen Kriegszeiten fast visionär.
Clemens Goldberg, rbbKultur