Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko - "Lost Generation": Komponisten zwischen Spätromantik und Moderne
Unter dem Motto "Lost Generation" erinnern die Berliner Philharmoniker in dieser Spielzeit an vergessene Komponisten zwischen Spätromantik und Moderne. Für sein aktuelles Konzertprogramm hat der Chefdirigent des Orchesters, Kirill Petrenko, drei Werke von jüdischen Komponisten ausgewählt, die in der NS-Zeit antisemitischer Verfolgung ausgesetzt waren. Während die Musik von Alexander Zemlinsky und Erwin Schulhoff heute immerhin wieder hier und da zu hören ist, ist der italienische Komponist Leone Sinigaglia vollkommen in Vergessenheit geraten.
Erwin Schulhoff war einer der originellsten, witzigsten, unverschämtesten Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Alles drin: Bartók, Hindemith, Strawinsky, dazu Jazz. Und doch macht er sein eigenes Ding in einer Mischung aus Lässigkeit und Satire. Kirill Petrenko überlässt als Kontrollfanatiker nichts dem Zufall. Und trifft den Tonfall genau - ein intelligenter, augenzwinkernder Spaß.
Leone Sinigaglia ist komplett in Vergessenheit geraten - ein Spätromantiker, dessen schwelgerische Musik mit leicht herben Einflüssen von Folklore aus dem Piemont aufgeraut wird. Ereignis ist allerdings der Solist aus den eigenen Reihen: Noah Bendix-Balgley, Erster Konzertmeister der Philharmoniker, verleiht den beiden Petitessen des Komponisten einen Ton voller Wärme, technisch souverän, alles zum Zurücklehnen und Genießen.
Immer wieder einmal, allerdings leider viel zu selten, kann man Alexander Zemlinskys "Lyrische Sinfonie" im Konzert erleben. Eigentlich DAS Repertoire für Kirill Petrenko, der gerne die Ausläufer der Spätromantik im 20. Jahrhundert auf seine Programme setzt. Hier allerdings sein alter Fehler, wie schon damals, als er Generalmusikdirektor an der Komischen Oper war: schwelgerisch, aber in einer dröhnenden Lautstärke, die jede Feinzeichnung vermissen lässt. Lise Davidsen und Christian Gerhaher müssen über diesen Klangorkan hinüberbrüllen. Eigentlich ein Pflichttermin, hier aber eine komplette Enttäuschung.
Andreas Göbel, rbbKultur