Deutsche Oper Berlin - Giuseppe Verdi: "Simon Boccanegra"
Nachdem vor vielen Jahren Giuseppe Verdis "Simon Boccanegra" an der Staatsoper in Berlin in einer indiskutablen Inszenierung und nur für die erste Bariton-Partie des Tenors Plácido Domingo herauskam, hatte man an diesem Werk etwas wiedergutzumachen.
Vasily Barkhatov hat diese Aufgabe übernommen. Sein Debüt an der Deutschen Oper hatte er mit der Uraufführung von Aribert Reimanns "L'invisible" gegeben – und ließ das wunderbar ins Surreale kippen. Auch hier bei Verdi gelingt ihm eine großartige Szene.
Da ist der Titelheld Simon Boccanegra gerade an vergiftetem Wasser gestorben und von der Bühne abgegangen, da wird schon sein Sarg im ersten Stock weitergereicht. Das hätte das Zeug für eine schwarze Tragikomödie gehabt.
Breitwand im Zeitraffer
Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte, und der Regisseur nutzt das. Da werden Schlagzeilen der italienischen Presse projiziert, man fühlt sich wie bei einer VHS-Kassette vor- und zurückgespult, und die Abstimmungen im Parlament sehen aus wie der alte TED.
Attraktion ist das Breitwandbühnenbild von Zinovy Margolin. Über die gesamten 28 Meter der Bühnenbreite hat er Parlament, Bibliothekszimmer oder private Räume gebaut. Das zeigt die ganze Eiseskälte und Brutalität des Politbetriebs mit seinen ganzen Intrigen.
Beglaubigen kann der Regisseur das alles jedoch nicht. Lange stehen alle nur auf der Bühne, die Personenregie ergeht sich in nichtssagenden Floskeln, man kommt den Figuren nicht nahe. Schöne Ansätze durchaus, die aber in Beliebigkeit steckenbleiben.

Das Ensemble
Die Titelrolle stemmt der rumänische Bariton George Petean, mit respektabler Ausdauer und klarer Diktion. Maria Motolygina als Amelia gelingen dramatische Ausbrüche, die einen geradezu am Hals packen.
Auch alle anderen haben ihre Partien im Griff. Nur: Neben der Dauererregtheit fehlt das Individuelle, das Persönliche. Man versteht die Figuren, erlebt aber keine Menschen, man kommt ihnen und ihren Schicksalen nicht nahe. Und das bei Verdi!
Das Orchester
Mit Jader Bignamini steht ein absoluter Experte für italienische Oper am Pult. Er kann das begleiten, stützt Sängerinnen und Sänger, weiß Akzente zu setzen und ein paar schöne Farben aus dem Orchester herauszukitzeln.
Sicher: Manches war zu defensiv, da hätte man sich einen eigenen Ansatz gewünscht. Nur: Wer den verholperten "Fidelio" unter GMD Donald Runnicles erleben musste, konnte hier aufatmen. Das Problem am Haus ist nicht das Orchester, sondern der GMD, leider.

Solide Produktion
Wer Giuseppe Verdis "Simon Boccanegra" erleben will, hat hier eine grundsolide Möglichkeit. Zugegeben: Alles bleibt unter den Möglichkeiten, aber für eine Produktion, die für das Repertoire gedacht ist, funktioniert es allemal.
Und auch wer das Stück nicht kennt, versteht, worum es geht. Keine Selbstverständlichkeit …
Andreas Göbel, rbbKultur