Komische Oper: La Cage Aux Folles © Monika Rittershaus
Monika Rittershaus
Bild: Monika Rittershaus Download (mp3, 7 MB)

Komische Oper Berlin - "La Cage Aux Folles"

Bewertung:

Mit seinem Musical "La Cage Aux Folles" ("Ein Käfig voller Narren") schuf Jerry Herman einen absoluten Klassiker des Genres. Nach der deutschen Erstauffährung 1985 am Theater des Westens hatte es nun am Samstag, inszeniert von Barrie Kosky, in der Komischen Oper Premiere.

Komische Oper: La Cage Aux Folles © Monika Rittershaus
Bild: Monika Rittershaus

Die erste Premiere meines Lebens, bei welcher der Applaus von vorne bis hinten als Standing ovation absolviert wurde. Mit diesem Befund könnte man die Besprechung eigentlich schon beenden. In der Neuauflage von Jerry Hermans "La Cage aus Folles", 38 Jahre nach der legendären Produktion von Helmut Baumann am Theater des Westens, spielt dieser wieder mit. Nicht den alternden Revuestar Zaza, sondern die Nebenrolle der Restaurant-Betreiberin Jacqueline. Wieder in drag. Er macht das so, als portraitiere Dame Edna die Hamburger Theaterdirektorin Ida Ehre. Was schon mal ein guter Lacher ist.

Eine rührende, geradezu zärtliche Inszenierung

Regisseur Barrie Kosky hat erkannt, dass die Drag-Komödie keine vordergründige Fummeltrinen-Show ist. Es geht vielmehr um ein alterndes Liebespaar, das nur zufälligerweise ein schwules Paar ist. Dieses Doppel inszeniert Kosky auf eine Weise rührend, zärtlich geradezu, dass man den ganzen Abend aus dem Weinen kaum wieder herauskommt. Es bedeutet: Kosky treibt der melancholischen Komödie an der richtigen Stelle jene "innere Arschwackelei" wieder aus, die drumrum für gute Laune und neonfarbene Tanzorgien sorgt.

Drumherum nämlich, choreografiert von Otto Pichler, wird mehr getanzt denn je. Dieser "Käfig" stellt eine goldene Mitte aus den "Perlen der Cleopatra" und "West Side Story" dar. Großartig gelöst. Super Kunstgriff.

Stephan Kurt und Peter Renz triumphieren

Nichts gegen die Darstellungskünste des damaligen Helmut Baumann als Albin/Zaza. Er war 1985 als Hauptdarsteller nur eingesprungen, weil Donald Grobe und Peter Fricke ausgefallen warten. Diesmal, in Gestalt von Stefan Kurt, ist die Hauptrolle, schlicht gesagt: mit einem richtig großen Schauspieler besetzt. Stefan Kurt ist sogar fulminanter Komiker. Er versteht es, auch für schwache Witze richtig abzukassieren. Derweil umgarnt er das Thema des alten Liebespaars mit großartiger Sensibilität und Finesse. Selbst dem Rausschmeißer, der Erkennungshymne "I Am What I Am", verleiht er noch leise Töne. Er funktioniert grundsätzlich im Doppel mit seinem Partner Peter Renz – der hier gleichfalls die Rolle seines Lebens gefunden hat. Beide sind hinreißend – als Komikerpaar. Und triumphieren.

Glamour

Wo also, bitteschön, kommt da der Glamour her? Der kommt doch. Kosky legt halt ein bisserl mehr Mascara, aber auch Goldlametta und Strass auf. Der Wohnsalon, bevor man ihn in eine katholische Bußkapelle umdekoriert, um den erzreaktionären Schwiegervater in spe zu foppen, dieser Salon also wurde von Tom of Finland persönlich mit Riesenpenissen ausstaffiert (die Aufführung ist ab 16 Jahren). Außerdem mischen die Cagelles – das sind die Grisetten von Saint Tropez – den Laden mit ordentlich Beinarbeit auf.

Etwas schlechter weggekommen sind nur Andreja Schneider als - trotzdem geschmackvoll gelöste - Schwiegermutter sowie der konservative Abgeordnete selbst (Tom Erik Lie). Man muss halt Opfer bringen.

Komische Oper: La Cage Aux Folles © Monika Rittershaus
Bild: Monika Rittershaus

Aushängeschild der heutigen, queeren Metropole Berlin

Kurz: the hottest ticket in town - diesmal zur Abwechslung brühwarm. Schon damals fungierte der "Käfig voller Narren" als Apotheose des Chez nous-Transendorados von West-Berlin. Diesmal als Aushängeschild der heutigen, queeren Metropole. Für Helmut Baumann – in Berlin bedeutete er weit mehr als nur Zaza – stellt die Aufführung ein schönes, verdientes Monument dar. Lohn einer Lebensleistung.

Ich kann es nicht altmodischer sagen: Man kommt jung und verliebt wieder heraus. Ein wundervoller Abend.

Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur