Staatsoper Unter den Linden - "Daphne" von Richard Strauss
Die Geschichte um "Daphne", eine Nymphe aus der griechischen Mythologie, ist Stoff für viele Darstellungen in Kunst, Musik und Literatur. Auch Richard Strauss ließ sich davon inspirieren und schuf daraus eine seiner letzten Opern. "Daphne" zählt zu den selten aufgeführten Werken des Komponisten. Nun gibt es eine Neuinszenierung in der Staatsoper Unter den Linden von Romeo Castellucci.

In Berlin hat man gern alle Richard Strauss-Opern, auch die schwächeren. Sogar "Die ägyptische Helena" und "Die Liebe der Danae" waren schon hier, da ist "Daphne", ein Spätling, noch etwas weniger schlimm. Mit dem Text war sogar der Komponist selbst nicht zufrieden. "Wir harren des Festes". "Schon höhnt von überall göttlich Gelächter": Dem gestelzten, gespreizten Deutsch des Librettisten Joseph Gregor tut man mit einer Übertitelungsanlage keinen Gefallen. Seiner etwas scheinheiligen Feierlichkeit geht die ganze Aufführung auf den Leim.
Romeo Castellucci - ein Säulenheiliger des heutigen Regietheaters
Regisseur Romeo Castellucci ist ein Säulenheiliger des heutigen Regietheaters. Kaum ein einziges "Buh" beleidigte das Ohr des sich verbeugenden Meisters. Bei ihm blicken wir, rundheraus, in eine Schneelandschaft. Es schneit. Und ist vereist. Dämmert eiskalt vor sich hin. Je länger es dauert – während sich irgendwann die verfolgte Nymphe Daphne in einen Lorbeerbaum verwandelt –, schneit es nur umso mehr. Kompliment, bei dieser Gelegenheit, für die Niederschlagsvirtuosen der Staatsoper. Sie haben das Kunststück zuwege gebracht, ein Flockengestöber zu konstruieren, bei dem den Sängern kein einziger Eiskristall in die Kehle rutscht. Einmal gibt es sogar eine kleine Schneeballschlacht.

Trotzdem bleibt das – auf die Dauer öde – Bild ein solches für die soziale und globale Wüstenei. Ein Klischee. Man könnte ja mindestens mal die behütenden, idyllischen Qualitäten des Schnees feiern. Immerhin "brueghelt" es ganz gewaltig in diesem Genrebild.
Thomas Guggeis dirigiert einen zierlichen, gischtig symphonischen Orchestersound
Thomas Guggeis, gelegentlich als möglicher Nachfolger von Daniel Barenboim gehandelt, dirigiert einen zierlichen, gischtig symphonischen Orchestersound. Die Staatskapelle – außer am Ende, wo die Musiker nicht zusammen sind – klingt herrlich. Leider hat Guggeis indes keine klare Tempoauffassung von dem Stück. Weshalb man viel weniger suggestiv hineingesogen wird als möglich.
Größeres Problem: Einen sonderlich musikalischen Kontakt zu den Sängern habe ich nicht feststellen können. Sie haben fast grundsätzlich Mühe, in den Rhythmus ihrer Rollen hineinzufinden. Dirigentisches Stadttheater ist überhaupt nichts Schlechtes. Hier nur ein bisschen zu wenig.
Eine "Daphne" von nebenan
Sopranistin Vera-Lotte Boecker, in Berlin längst preisgekrönt, ist gleichsam eine Daphne von nebenan. Ihre schöne, aromatisch helle Stimme wird im Lauf der nicht mal zweistündigen Aufführung immer spitziger (und klingt am Ende fast nach Despina). Die Rolle ist zu dramatisch für sie. Trotzdem wird sie vom Publikum groß gefeiert, zum Teil zu Recht.
Außer Schneespesen nicht viel gewesen ...
Das Problem der Aufführung sind die beiden anspruchsvollen Tenorpartien. Leukippos (einst eine Prachtrolle von Fritz Wunderlich und Peter Schreier) ist für einen Sänger des Opernstudios wie Magnus Dietrich eigentlich too much. Pavel Černoch fehlen als Apoll die nötigen Spitzentöne, und zwar fast ganz und gar. René Pape und Anna Kissjudit als Eltern können da nicht viel machen.

Der heilige Bierernst, die Bildkraft auch von Castellucci mögen ein Wert für sich sein. Was die Polarexpedition mit der Vorlage zu tun hat, versteht man kaum. Die Sänger, kein Zweifel, sind hochengagiert. Dennoch ist dies vor allem eines: Götzendienst für einen sehr gehypten, gelegentlich auch überschätzten Kult-Regisseur. Außer Schneespesen... nicht viel gewesen.
Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur