Philharmonie Berlin, 25.09.22: DSO u. Robin Ticciati: "The Wreckers" von Ethel Smyth © Peter Adamik
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Festival | Philharmonie Berlin - "Music and Healing": Robin Ticciati dirigiert das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin

Musik kann heilende Wirkung haben. Gerade in unseren bewegten Zeiten. "Music and Healing" ("Musik und Heilung") heißt auch ein kleines Festival des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Wer dabei nur sanfte Musik erwartet, wird überrascht sein.

In unseren bewegten und auch krank machenden Zeiten ist "Music and Healing" ein spannendes Angebot eines Mini-Festivals des DSO. Allerdings gibt es da schon verschiedene Phasen, die in den vier Konzerten erkundet werden. Am Anfang stand entschieden der Umgang mit den eignen und den gesellschaftlichen Abgründen, mit Angst, Opfer und Schmerz.

Strukturierte Atmosphäre statt Chaos

In Harrison Birtwistles "Panic" wurde im Programmheft gar von 16 Minuten Chaos, Aggression und Kakophonie gesprochen. Ich habe das ganz anders erlebt. Die Altsaxophonistin Asya Fateyeva im feuerroten Kleid führte verführerisch eher in ein wildes Nachtleben. Sekundiert wurde sie vom Schlagzeuger Martin Frink mit sehr gezielter, körperlich spürbarer Energie und Dynamik. Dazu erzeugte das DSO unter der sehr inspirierten und packenden Leitung von Robin Ticciati nicht etwa Chaos, sondern ungemeint gut strukturierte Atmosphäre zwischen, ja, lautem Lärm und Schrillität aber auch Innehalten und lauernde Ruhe vor dem nächsten Einsinken in die Attraktionen der Nacht.

Ein hollywoodeskes Orchester bei Blochs "Schelomo"

Eigentlich sollte dann Dowlands "Tränen"-Pavane direkt anschließen, aber da war der sich entladende Beifall vor.

Dann ging es mit Blochs "Schelomo" in die orientalisierend schwelgende Wüste. Nicolas Altstaedt war schon äußerlich ein wilder Prophet: wilde Haare, schwarzes Gewand mit Pluderhosen, keine Schuhe, wilder Blick. Aber auch: ungemein differenzierter Klang, ein weites Spektrum der prophetischen Sprache zwischen Locken, Drohen, Wüten, Resignieren - nur ganz ab und zu mal ein wenig schöner Trost. Das Orchester bot den hollywoodesken Film der gleißenden Wüste samt Karawanen.

Musik ist kein Alllheilmittel

Kann der Opfermythos von Strawinskys "Sacre" heilen? Ganz vertraute man wohl nicht darauf, war doch ein faszinierender Obertonsänger (Gareth Lubbe) aufgeboten, der für schamanistischen Segen sorgte.

Damit ein neuer Frühling entsteht, muss erst gestorben werden. Ticciatis Sicht betonte mehr die Unterströmungen, die Energiezustände als die rhythmische Außenseite. Heilung, so dachte ich bei mir, heißt ja nicht einfach: Schmerz ausschalten, vergessen. Sie ist immer ein Balanceakt erhöhten Bewusstseins. Musik kann da helfen, ein Alllheilmittel ist sie nicht.

Clemens Goldberg, rbbKultur

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