Staatsoper Unter den Linden - "Idomeneo" von Wolfgang Amadeus Mozart
"Idomeneo" – damit verbindet man in Berlin die abgesetzte Wiederaufnahme der Skandalinszenierung von Hans Neuenfels an der Deutschen Oper mit den abgeschlagenen Köpfen der Religionsgründer vor vielen Jahren.
Das Werk selbst kann hingegen wenig provozieren. Die bis heute jüngste Inszenierung an der Komischen Oper von dem überschätzten Benedict von Peter ist längst und zu Recht vergessen.
Mozart hat damit musikalisch ein Meisterwerk hingelegt, mit unglaublicher Prachtentfaltung, stimmlich und orchestral. Das Schwierige ist der Stoff – Idomeneo, König von Kreta, gerät in einen Seesturm und schwört, um den Meeresgott zu besänftigen, den ersten Menschen, dem er danach begegnet, zu opfern, und das ist ausgerechnet sein Sohn. Wie will man das heute halbwegs glaubwürdig inszenieren?!
Arbeitsverweigerung als Regie
Die Premiere an der Staatsoper wurde gewissermaßen nachgeliefert. Fast auf den Tag genau vor drei Jahren sollte das herauskommen. Bis zur Hauptprobe war man gekommen, danach kam Corona, und das war es dann.
Wie auch immer, was der Regisseur David McVicar damit anstellen wollte, bleibt ein Rätsel. Über weite Strecken beherrscht eine Totenmaske die Bühne, ansonsten ist der Raum in ein orangefarbenes Schummerlicht getaucht, in dem alle nur irgendwie herumstehen. Nett arrangiert, eine Deutung findet nicht statt. Das Ganze sieht nach kompletter regielicher Arbeitsverweigerung aus.

Vier Stunden gute Laune
Simon Rattle packt das Stück fröhlich bei den Hörnern. Schon die Ouvertüre ist knackig und kross gebacken, ganz aus historisch informierter Sicht. Sir Simon genießt die luxuriösen Orchesterfarben und lässt diese glitzern, und die Staatskapelle geht da ganz wunderbar mit.
Da wird über alles reichlich Puderzucker gestreut, fast vier Stunden lang herrscht gute Laune. Und das ist ein wirklich schöner Kontrast zu dem traurigen Mief auf der Bühne.
Luxusbesetzung
Darstellerisch komplett unterfordert, hatte man jedoch stimmlich ein großartiges Ensemble: Anna Prohaska, Olga Petetyatko, Andrew Staples, Magdalena Kožená. Ein Traum und ein Schaulaufen großer Stimmen. Wenn es einen Grund gibt, diese Produktion zu besuchen, dann diese Besetzung.
Es lohnt sich, und wenn man hingeht, dann am besten auf den Plätzen, auf denen der Blick auf die Bühne eingeschränkt ist (kostet auch weniger). So kann man die Stimmen und das Orchester genießen und erspart sich die Nichtinszenierung dieser Oper.
Andreas Göbel, rbbKultur