Philharmonie Berlin - Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi
Seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen mit ihrem Künstlerischen Leiter Paavo Järvi zusammen, und das Ergebnis sind zahllose preisgekrönte Aufnahmen. Von der Qualität dieses Ensembles konnte man sich beim Berliner Gastspiel vor ausverkauftem Konzerthaus einen Eindruck verschaffen.
Beethoven, Schumann und Brahms hat die Kammerphilharmonie bereits erfolgreich aufgenommen. Derzeit erarbeitet man sich die Londoner Sinfonien von Joseph Haydn, und wenn es ein Ensemble gibt, bei dem man sich darauf freuen kann, dann dieses. Wie oft hört man diese Musik erwartbar und langweilig – hier genau das Gegenteil. Vom ersten Ton an sitzt man auf der Stuhlkante.
Kaffeefaust und Höllenschlund
Sicher, bei Haydn geht es immer mal anders weiter als erwartet – aber anstatt freundlich und nett, erlebt man das hier herausfordernd und intensiv. Paavo Järvi setzt auf große Kontraste, da fallen die großen Akzente schon einmal so schroff aus, dass die Faust aus dem Kaffee zu kommen scheint. Genug Koffein hat diese Musik hier ganz offensichtlich.
In Sachen Haydn kann die Kammerphilharmonie mit den großen Originalklangensembles mühelos mithalten. Vor allem aber erlebt man diese Musik hier denkbar emotional. Am Beginn der Sinfonie 104 scheint ein Höllenschlund aufgerissen – nur um dann gut gelaunt und gut durchtrainiert im Fitness-Studio zu sitzen. Das macht nicht nur Spaß – man genießt auf Spitzenniveau.
Gut abgefedert
Starcellistin Sol Gabetta weiß sich wunderbar in dieses Ensemble einzufügen. Vor allem hat sie verstanden, dass Robert Schumanns Cellokonzert kein Virtuosenstück ist. Vielmehr weiß sie den Klang ihres Instruments mit dem des Orchesters zu mischen. Das hat Melancholie und gedeckten Klang, aber auch die nötige Klarheit für die rascheren Teile.
Sol Gabetta gestaltet gut abgefedert wie auf einem Trampolin – das hat Leichtigkeit und trotzdem die nötige melodische Dichte. Lange hat man dieses Stück, und lange hat man diese Künstlerin nicht mehr so gut gehört. Ein Genuss.
Opernarie und Polka
Da musste das Publikum nicht lange um Zugaben bitten. Sol Gabetta warf sich mitreißend schwärmerisch und die Lenski-Arie aus Peter Tschaikowskys "Eugen Onegin".
Und noch überraschender spielte die Kammerphilharmonie ganz zum Schluss die "Tritsch-Tratsch-Polka" von Johann Strauß, spritzig und voller Humor, voller Leichtigkeit und Biss. So gut gelaunt ist man lange nicht mehr aus einem Konzert gekommen.
Andreas Göbel, rbbKultur