
Philharmonie Berlin - Daniel Barenboim dirigiert die Berliner Philharmoniker
Daniel Barenboim muss sich gesundheitsbedingt rar machen. Sein Amt als Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden hatte er schon vor einigen Monaten abgegeben, viele Auftritte musste und muss er absagen, aber seine Konzertserie bei den Berliner Philharmonikern in dieser Woche kann er leiten.
Ein wenig mühsam musste Daniel Barenboim die Treppe zur Bühne erklimmen. Auf den bereitgestellten Stuhl auf seinem Podium verzichtete er jedoch, und in der Tat scheint er gesundheitlich wieder etwas gefestigter zu sein, konnte am Pult sichtbar deutlicher agieren als noch zu Jahresbeginn.
Französisches Programm
Fauré und Franck – das überraschte zunächst einmal. Allerdings hat Daniel Barenboim auch lange in Frankreich gearbeitet, so fast fünfzehn Jahre als Chef des Orchestre de Paris, und von daher ist ihm das französische Repertoire sehr gut vertraut.
Die Suite aus der Schauspielmusik zu "Pelléas und Mélisande" von Gabriel Fauré bekommt einen warmen, duftigen Gesamtklang. Barenboim schafft ein angenehmes Samtkissen und bietet den wunderbaren Bläsersolisten – Solooboist Albrecht Mayer und Soloflötist Emmanuel Pahud – Raum für ihre Melodien.
Schwerer Rotwein mit Übergepäck
In César Francks großer d-Moll-Sinfonie bevorzugt Daniel Barenboim einen breiten, raumgreifenden Klang – ein sehr schwerer Rotwein. Das ist ob der Gewichtigkeit dieser Musik sicher denkbar, nur verschleppt er die Tempi derart (48 Minuten statt sonst durchschnittlich 40!), dass vieles schwerfällig und statisch bleibt.
Sicher, auch hier gelingen den Berliner Philharmonikern klanglich dichte Einzelmomente – das Englischhornsolo im Mittelsatz von Dominik Wollenweber sucht an Schönheit seinesgleichen, und doch wird man das Gefühl nicht los, dass hier zu viel Übergepäck transportiert werden musste.
Zwischen Lied und Oper
Für die "Wesendonck-Lieder" von Richard Wagner konnte Star-Mezzosopranistin ElĪna Garanča gewonnen werden. Ihr gelingt, hervorragend textverständlich, der Spagat, diesen Liedern auch in der Orchesterfassung das liedhaft Intime zu belassen und trotzdem den Großen Saal der Philharmonie mitzudenken und gezielt opernhafte Momente aufflackern zu lassen. Wie fast immer bei dieser Sängerin – sehr überlegt und konsequent umgesetzt.
Ovationen und Zupfblumen
Und das Publikum? Spendete erwartungsgemäß stehende Ovationen, sicher vor allem aus Dankbarkeit, Daniel Barenboim eben doch am Pult erleben zu dürfen. Sichtlich erleichtert und gelöst zupfte er aus den ihm überreichten Blumen – wie auch früher so oft – einzelne heraus, um sie an einzelne Orchestermitglieder weiterzureichen – bis er dann den ganzen Strauß aus der Hand gab.
Ein angenehm entspannter und in gewisser Weise auch anrührender Abend.
Andreas Göbel, rbbKultur