Antrittskonzert im Konzerthaus - Joana Mallwitz dirigiert das Konzerthausorchester Berlin
Auf wohl kaum ein Ereignis wurde in der Musikwelt so sehr hingefiebert wie auf den Antritt von Joana Mallwitz als Chefdirigentin des Konzerthausorchesters Berlin. Jetzt war es endlich so weit. Und passend dazu gab es drei erste Sinfonien: von Prokofjew, Weill und Mahler.

Natürlich war das ein besonderer Abend. Es kommt nicht alle Tage vor, dass man für die Ausgabe der Gäste- und Ehrenkarten gleich vier Counter benötigt. Und auch der Kultursenator eröffnet nicht jeden Saisonstart.
Das war das Top-Ereignis in Berlin, auch daran zu merken, dass bei Prokofjew und Mahler nach dem ersten Satz geklatscht wurde. Da saßen also etliche im Konzerthaus, die sonst keine klassischen Konzerte besuchen.
Konzerteinführung am Flügel
Schon vorher war etwas anders. Es gab eine Konzerteinführung – soweit noch normal. Aber Joana Mallwitz selbst hat etwas über die Stücke erzählt. Sie ist so etwas wie ein Gegenentwurf zum Philharmoniker-Chef Kirill Petrenko – während er eher verschlossen und wenig kommunikativ nach außen ist, zeigt sie sich eloquent, weiß um den Vermittlungsgedanken der Musik.
Sie hat eine unglaublich kompetente wie gewinnende Art, über Musik zu sprechen. Stichpunkte benötigt sie keine, und auf dem extra dafür auf die Bühne gestellten Konzertflügel – sie hat auch Klavier studiert – spielt sie ausgewählte Motive an. Das ist wirklich neu.
Prokofjew
Und doch fühlte man sich in einem Punkt an Kirill Petrenko erinnert: Auch Joana Mallwitz liebt Kontrolle. Sie ist unglaublich aufmerksam, geht ins Detail, wendet sich ständig an einzelne Orchestergruppen und deutet an, was sie wie genau will.
Partituren benötigt sie nicht, sie dirigiert alles auswendig. Und in der Symphonie classique von Sergej Prokofjew scheint sie den Staub herunterpusten zu wollen, alle Stimmen sind aufs Schönste durchleuchtet. Sicher, die Leichtigkeit ist hier noch etwas behauptet, aber bei einem solchen ersten Abend lastet auf allen erwartungsgemäß ein enormer Druck.
Weill
Wie kommt man auf die erste Sinfonie von Kurt Weill? Sicher durch das Motto des Abends – drei erste Sinfonien. Aber das ist eine wirklich originelle Setzung. Das Stück ist ein Jugendwerk des Komponisten und wurde erst nach seinem Tod uraufgeführt.
Man hört das originelle, freche Genie, die grellen Momente, den Erlebnissen des Ersten Weltkriegs geschuldet, aber auch die melodisch starken Episoden. Sicher, das Werk hat auch seine Schwächen, aber Joana Mallwitz glaubt daran, gibt der Musik Wucht und Ausdruckskraft, das alles ist mit Liebe blankpoliert. Sie macht das Beste daraus.

Mahler
Mahlers Erste – oft gehört – ein Prüfstein. Die Überraschung: So durchgehend positiv hat man das Werk eigentlich noch nie gehört. Eine enorme Probenarbeit muss dem vorausgegangen sein, überall Euphorie. Duftige Momente sind bis in den hintersten Winkel ausgeleuchtet, alles strahlt in schönster Feiertagssauberkeit und Festlichkeit, da fühlt man sich beim Hören fast geblendet.
Das war in der Tat eine Prachtaufführung. Was fehlte, war indes die Doppelbödigkeit, die andere Seite, die jedes Werk von Mahler enthält. Der Abgrund, die Hölle, das Sarkastische, etwa wenn im langsamen Satz die Tiere den toten Jäger begraben. Diese Aufführung hat begeistert, allerdings nicht erschüttert.
Der Ausbllick
Was bleibt als Fazit dieses Antrittskonzerts? Das Konzerthausorchester hat teilweise wie ausgewechselt gespielt. Nach den Jahren unter Christoph Eschenbach, der den Klangkörper wenig vorangebracht hat, wo es oft wie gelähmt klang, hört man jetzt die Aufbruchstimmung. Vieles ist schon da – die Arbeit am Detail, an der Orchesterkultur, das Bemühen um Qualität, Durchhörbarkeit und Präzision.
Natürlich, wie könnte es anders sein, ist noch viel zu tun. Die Leichtigkeit fehlt, bei den Klangfarben ist Luft nach oben. Und so manches Musterschülerinnenhafte wird Joana Mallwitz bald auch abstreifen können, den sichtbaren Wunsch, immer alles richtig und perfekt machen zu wollen.
Das war ein guter Auftakt und ein großes Versprechen auf mehr in der Zukunft.
Andreas Göbel, rbbKultur