Emmanuel Pahud; Foto: © Fabien Monthubert / Warner Classics
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Philharmonie Berlin | Kammermusiksaal - Kammerakademie Potsdam und Antonello Manacorda

Bewertung:

Man spielt nicht nur in Potsdam – auch in Berlin hat die Kammerakademie eine eigene Reihe, und bevor es jetzt auf Tournee geht, hat das Ensemble unter seinem Chefdirigenten Antonello Manacorda im Kammermusiksaal der Philharmonie das Programm vorgestellt.

Die Kammerakademie Potsdam spielt unter ihrem Chefdirigenten Antonello Manacorda derzeit in Traumverfassung. Das Erfolgsrezept: Manacorda legt die Musik gewissermaßen unter das Mikroskop. Egal, wie dicht es wird, man hört immer alles.

Natürlich ist es etwas einfacher, wenn man kammerorchesterbedingt mit kleinerer Streicherbesetzung spielt, aber das führt eben auch zu Stellen, die man sonst nie so klar und fein abgestimmt hört.

Von Elfen und Eseln

Gleich zu Beginn: die "Sommernachtstraum"-Ouvertüre von Felix Mendelssohn Bartholdy. Hier versteht man, besser: erlebt man das Elfenhafte hautnah mit, das wie auf Zehenspitzen vorüberhuscht.

Allerdings kann Manacorda auch kräftig aufdrehen, wo es nötig ist: Die von Mendelssohn einkomponierten Eselsschreie sind hier so lustvoll umgesetzt – das lebt von den zelebrierten Kontrasten. Ein Genuss.

Beethoven im Zentrum

Die Kammerakademie arbeitet gerade an einem Beethoven-Zyklus – die siebte Sinfonie ist bereits draußen, und der mehr als positive Eindruck von der CD-Aufnahme hat sich live noch einmal bestätigt. Antonello Manacorda hat ein Grundprinzip: Bei ihm wird nie begleitet, alle Stimmen sind wichtig.

Besonders im zweiten Satz mit seinem markanten Trauerrhythmus. Da hört man zu Beginn nur ein Brummen, fast eine Anti-Musik. Und dann entfalten sich nach und nach alle Stimmen, die aber selbst in größter Dichte transparent bleiben.

Antonello Manacorda © Nikolaj Lund/Sony Classical

Das Ende in Sicht

Antonello Manacorda, so wurde es vor einigen Wochen bekanntgegeben, wird die Kammerakademie Potsdam 2025 als Chefdirigent verlassen. Das ist natürlich erst einmal schade, weil er das Ensemble auf dieses traumhafte Niveau geführt hat, man denke an Zyklen wie Schubert oder Mendelssohn.

Aber in zwei Jahren wird er dann fünfzehn Jahre Chefdirigent in Potsdam gewesen sein, das ist eine lange Zeit. Und es ist besser, man bedauert den Weggang, als wenn man bei aller Qualität das Gefühl hat, ein Ensemble braucht neue Impulse. Entscheidend wird sein, mit wem oder mit welchem Modell man dort weiterarbeitet, um das extrem hohe Niveau zu halten.

Mozart im Risiko

Mit Emmanuel Pahud, Soloflötist der Berliner Philharmoniker, hat man bei der Kammerakademie bereits öfter zusammengearbeitet. Man kennt sich und kann ganz ins Risiko gehen. Das Orchester fordert Pahud heraus – keine Chance, einfach nur das vielgespielte Werk, das G-Dur-Flötenkonzert von Mozart, abzuliefern.

Und Pahud nimmt die Herausforderung an, spielt mit Motiven, scheint manches aus dem Moment neu zu probieren. Da rutscht mal was weg – egal: hier wird die Musik neu lebendig. Und im langsamen Satz kann er sich ganz vom Orchester tragen lassen, da sind die Töne nur so dahingetupft. Selten hat man dieses Stück so spannend gehört, da hat man einige Male die Luft angehalten.

Häkeldeckchen mit Tonschwall

Das Publikum im sehr gut besuchten Kammermusiksaal der Philharmonie in Berlin blieb am Beginn noch etwas zurückhaltend, wurde aber dann in Bann gezogen – oftmals hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Gutes Zeichen: Es wurde sehr wenig gehustet.

Und Emmanuel Pahud hat mit der Kammerakademie Potsdam noch eine Zugabe gespielt: ein kleines Konzertstückchen des späten Camille Saint-Saëns mit dem Titel „Odelette“. Ein Jahr vor seinem Tod komponiert, hat Saint-Saëns, längst zum alten Eisen geworfen, ein Hauch von Nichts komponiert, ein Stück mit Häkeldeckchen.

Das kann ganz nichtssagend klingen – hier war es duftig und angenehm parfümiert – und dann bekam man noch einen ziemlich virtuosen Tonschwall über den Kopf geschüttet. Für eine Zugabe fast zu lang, haben alle das so liebevoll und augenzwinkernd präsentiert – ein wahres Vergnügen. Und passend zum rundum gelungenen Konzertabend.

Andreas Göbel, rbbKultur