Staatsoper Unter den Linden: "Médée" © Ruth Walz
Ruth Walz
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Staatsoper unter den Linden - Marc-Antoine Charpentier: "Médée"

Bewertung:

Eine Entdeckung bieten die diesjährigen Barocktage an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin: Marc-Antoine Charpentiers Deutung der Medea-Stoffs. Lohnenswert, was das Werk betrifft …

Charpentier, sonst eher Komponist geistlicher Musik, hat hier im Opernfach einen Volltreffer gelandet – der ihm aber eher schadete. Seine Deutung des antiken Stoffes liest sich wie eine Satire auf den Intrigenstadl am Hof von Ludwig XIV.

Dass das durchaus damals so verstanden wurde, lässt sich schon daran ablesen, dass Charpentier keine weiteren Opernaufträge erhielt – aus nachvollziehbaren Gründen hat man offensichtlich sehr verschnupft darauf reagiert.

Staatsoper Unter den Linden: "Médée" © Ruth Walz
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Die Regie: hilflos und erbärmlich

Regisseur Peter Sellars gibt im Programmbuch sehr deutlich vor, wo er den Stoff angesiedelt sieht: Da sind Medea und ihre Kinder in einem Internierungslager festgehalten, wo sie auf ihre drohende Abschiebung warten. Wenn man das wenigstens auf der Bühne sehen würde. Es bleiben zwei Käfige und schwarzgekleidete Typen mit Maschinengewehren. Da wird leider gar nichts dahingehend beglaubigt oder weitergeführt.

Aber was dann? Ein bisschen Choreographie zwischen Eurythmie und Fangenspielen. Und die Kinder der Medea müssen natürlich auch auf die Bühne. Das hangelt sich von Szene zu Szene, hängt unglaublich durch und ist entsetzlich langweilig. Nur ein Beispiel: Wenn Créuse von dem von Medea verzauberten Kleid geradezu verbrannt wird, gibt es zwei rote Scheinwerfer auf der Bühne. Selten habe ich so eine hilflose Regiearbeit gesehen.

Bitte nicht ins Werkverzeichnis

Frank Gehry, eine DER Architektenlegenden überhaupt, wurde mit dem Bühnenbild beauftragt. Der Visionär der modernen Architektur, inzwischen 94 Jahre alt, lieferte zwei
Wölkchen und zwei Skulpturen in der Art von Felsen, die baumartig mit Ästen und Zweigen durchwebt sind.

Nur zwei Anmerkungen dazu: Frank Gehry sollte diese Arbeit nicht in sein Werkverzeichnis aufnehmen. Und eigentlich: Er hätte diesen Auftrag ablehnen sollen.

Empfehlung für Hörplätze

Sängerisch hat diese Produktion immerhin Freude bereitet. Magdalena Kožená in der Titelpartie – sie kennt die Partie, hat sie vor einigen Jahren in Basel bereits verkörpert – beeindruckt mit Dichte, Klarheit und Intensität. Sie ist nicht die Furie oder Wahnsinnige, sondern kontrolliert und mit beherrschter Bühnenpräsenz – hier wächst sie über sich hinaus.

Aber auch das gesamte Ensemble kann sich hören lassen: der belgische Tenor Reinoud van Mechelen überzeugt als Jason mit auftrumpfendem Gestus und stimmlicher Flexibilität, und Carolyn Sampson als Créuse geht in der Sterbeszene ihrer Partie zu Herzen. Man darf für das Sängerensemble empfehlen: Hörplätze kaufen!

Staatsoper Unter den Linden: "Médée" © Ruth Walz
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Nur sängerisch geglückt

Im Orchestergraben saß das Freiburger Barockorchester, und am Pult stand Simon Rattle. Natürlich interessiert sich Sir Simon, oft mit Erfolg, für historisch informierte Aufführungspraxis. In Sachen Barockmusik, zudem aus Frankreich, fehlt ihm die Erfahrung, und das hört man leider.

In einigen Momenten sorgt er wirksam für Rabatz im Orchester, aber über die knapp dreieinhalb Stunden hängt es in so dermaßen vielen Momenten durch, wirkt verwaschen und flächig – da hätte man sich jemanden wie Mark Minkowski gewünscht, der dieses Repertoire versteht.

Die neue "Médée" – sängerisch be-glückend, alles andere leider miss-glückt.

Andreas Göbel, rbbKultur

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