
Berliner Ensemble - "Die Dreigroschenoper"
Nach Corona-Verschiebung endlich Premiere im Berliner Ensemble
Einige Inszenierungen der 1928 uraufgeführten Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill hat es am Brecht-Theater Berliner Ensemble schon gegeben. Zuletzt, äußerst erfolgreich, die von Robert Wilson, die satte 13 Jahre lang bis Februar 2020 gespielt wurde – und praktisch immer ausverkauft war. Jetzt also Barrie Kosky, der Intendant der Komischen Oper, der weiß, wie Musical geht. Die musikalische Leitung hat Adam Benzwi übernommen, der sonst auch hauptsächlich an der Komischen Oper tätig ist.
Start mit einem schönen Bild
Große Erwartungen also beim Premierenpublikum. Das schaut erstmal auf einen Vorhang aus schwarzen Fäden mit Glitzer, auf dem plötzlich in ziemlicher Höhe ein weißgeschminktes Gesicht erscheint, der Mond über Soho. Der heißt Josefin Platt und gibt bewusst zögerlich und umso intensiver die Moritat von Mackie Messer zum Besten …und der Haifisch der hat Zähne….
Ein schöner Einstieg in diese Geschichte vom Gangster und Schwerenöter Mackie Messer, der in einem Pferdestall Polly, die Tochter vom Mr. und Mrs. Peachum heiratet, die ein Imperium von Bettlern befehligen. Und denen diese Heirat gar nicht in den Kram passt, so dass sie Mackie Messer schließlich an den Galgen bringen. Nur mal kurz zusammengefasst.

Im Vordergrund stehen hier der Witz – und natürlich die Musik
Mrs. Peachum wird von Constanze Becker großartig gespielt. Sie steckt die ganze Zeit in einem schwarzen Pelzmantel, unter dem sie nackt zu sein scheint. Und diese Mischung aus vulgär und glamourös übernimmt sie auch in ihrem Spiel. Den Mr. Peachum gibt Tilo Nest als fast schon biederen Geschäftsmann. Tiger Brown, den Jugendfreund von Mackie Messer, der es zum Polizeichef gebracht hat, hat Barrie Kosky hier mit einer Frau, mit Katrin Wehlisch besetzt, die die Rolle chaplinesk anlegt. Eine Komikerin.
Überhaupt gibt es viel zu lachen in dieser Dreigroschenoper: Slapstick und Wortwitz stehen neben den großen musikalischen Hits, den Ohrwurm- Klassikern, im Vordergrund. Das Orchester interpretiert Kurt Weills Dreigroschenoper-Gassenhauer so schräg wie sie sein sollen. Ab und zu spielen die Musiker aus dem Orchestergraben heraus auch mal eine kurze Gangster-Rolle in Interaktion mit Nico Holonics alias Mackie Messer. Der spielt mit großer körperlicher Präsenz den Mackie Messer als gleichzeitig durchtriebenen und sympathischen, manchmal auch etwas unbeholfenen, Typen. Richtig böse ist etwas anderes. Doch in dieser Art der Inszenierung funktioniert das.
Perfekte Besetzung aus dem BE-Ensemble heraus
Wie überhaupt alle Schauspielerinnen und Schauspieler richtig gut in ihren Rollen sind. Es sind alles Ensemblemitglieder des Berliner Ensembles und sie sind ja keine ausgebildeten Opernsänger*inne. Das müssen sie auch für die Dreigroschenoper nicht sein, aber sie sind perfekt besetzt. Bettina Hoppe als Spelunkenjenny in schrillem lila-orangen Outfit mit melancholischer und zugleich messerscharfer Stimme. Sie verrät ihren Mackie hinterlistig und es bricht ihr doch das Herz. Und in dieser Inszenierung ist endlich auch die Polly, gespielt von Cynthias Micas, nicht nur ein naives Mädchen. Sie ist eine starke Frau mit allen Facetten, die richtig austeilen kann. Und deren Stimme spielend vom jungmädchenhaften ins dreckige wechselt. Eine überzeugende Besetzung.
Es wird geklettert, was das Zeug hält
Und da ist noch das Bühnenbild, sehr eigenwillig. Einen Großteil der Inszenierung füllt ein mehrteiliges Gerüst den Bühnenraumaus, ein Labyrinth aus kleinen Plattformen und Treppen dazwischen, auf dem die Schauspieler permanent hoch und runter klettern. Ganz schön anstrengend. In den Spielszenen und Dialogen bekommt dieses Gerüst eine dramaturgische Rolle, je nachdem wer gerade oben und wer gerade weiter unten sitzt. Das spiegelt die jeweilige Beziehung und die Machtverhältnisse darin wider.
LOVE ME
Insgesamt ein gelungener Abend, sehr unterhaltsam, musikalisch und schauspielerisch stark. Das Politische der Dreigroschenoper steht hier allerdings nicht so sehr im Fokus, es geht doch mehr um Witz und auch um die Liebe. Am Ende wird eine große Neonschrift herunter gelassen mit den Lettern: Love me. Was ja nicht unbedingt Brechts Botschaft in der Dreigroschenoper war…aber eben die von Barrie Kosky.
Andrea Handels, rbbKultur