Babylon in Berlin - "Hader on Ice"
Ausgehend von "Holiday on Ice", wäre die Vorstellung eines in der Standwaage übers Eis gleitenden Josef Hader reizvoll. Bei seinem ersten Solo-Programm seit über zehn Jahren, betitelt "Hader on Ice", muss aber eher an "on the rocks" gedacht worden sein. Hier outet sich die Kunstfigur des Josef H. als Voll-Alk, Verschwörungstheoretiker und Paranoiker de luxe. Es ist das "letzte Programm", wie Hader von der Bühne herab verkündet.
Schade drum. Nicht nur in Österreich ist Josef Hader eine Legende. Zahllose Hader-Brillen, die im Publikum zu erspähen waren, belegen, dass der bald 60-Jährige eine Mode-Ikone der Männerwelt ist. Meinen Respekt hat er.
Eine Mischung aus Gerhard Polt und Helmut Qualtinger
Zur Legende qualifiziert ihn, dass er gerade kein Comedian ist (dies sind vielmehr seine Lieblingsfeinde). Auch kein wirklicher Kabarattist. Sondern ein Schauspieler aus dem Komiker-Fach, das es heute eigentlich gar nicht mehr gibt. Es zeigt sich daran, dass er auch kleinen Scherzen Größe verleihen kann. (Komiker erzählen keine Witze. Sie sind der Witz.)

So berichtet Hader ausgiebig von seinem Leben im Weinviertel. Also: Mistelbach und so, wo den Hasen die Ohren abfrieren und die Wölfe mit ihm ein Gespräch eröffnen. Ich habe schon etliche Conférenciers aus ihrem Leben in der Provinz erzählen hören und es war immer todsterbenslangweilig. Hier nicht. Weil der Mann sprachliche funny bones hat und Stroh zu Gold spinnt. Eine Mischung aus Gerhard Polt und Helmut Qualtinger als Herr Karl. Er verwandelt sich dabei in diverse männliche Miststücke.
Ein alternder Playboy mit Zuhälterbrille, der über moderne Sklaverei räsonniert
Einige Witze sind trotzdem exzellent. Wenn man den Mundgeruch Adolf Hitlers großflächig an der Ostfront eingesetzt hätte, so Hader, wäre die Geschichte möglicherweise anders ausgegangen.

Vor silbrig angeschimmeltem Wolkenstor dreht er sich derweil auf rotem Barhocker um sich selbst. Im Saal hat er Flaschen versteckt, die aber alle schon ausgetrunken sind. ("Was Sie mehr trinken, kann ich weniger lustig sein", sagt er.)
Nach der Pause, in der Rolle eines alternden Playboys, trägt er Zuhälterbrille und räsonniert darüber, dass moderne Sklaverei in Mitteleuropa die Flüchtlingskrise sofort beenden könnte. Es kämen weniger. Und wenn doch, dann die richtigen.
Ein denkwürdiger Abend
Das Publikum ist nur teilweise mitgealtert. Zwar sah ich lange nicht so viele graue Hippiefrisuren, gelockte Haarkränze und karierte Westen, unter denen die Wampe spannt (ich rechne mich dazu). Er selbst werde demnächst auf dem Skateboard und mit Hoodie zur Darmspiegelung rollern, sagt Hader. Die Mehrheit aber ist ziemlich jung. Man erfreut sich am Zynismus des Alters. Im Rahmenprogramm, drumrum, werden die zehn besten Hader-Filme gezeigt (u.a. "Indien", "Der Knochenmann", "Wilde Maus").
Ein denkwürdiger Abend.
Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur