Schlosspark Theater: Die Maria und der Mohamed © DERDEHMEL/Urbschat
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Schlosspark Theater - "Die Maria und der Mohamed"

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Deutsche Rentnerin und junger Flüchtling aus dem arabischen Sprachraum als Hauptfiguren: da vermuten geübte Komödienkenner eine nette Geschichte um die Kraft von Menschenliebe, Happy End voraussehbar. Diese Erwartung wird im Berliner Schlosspark Theater aufs Schönste nicht erfüllt.

Autor und Regisseur Folke Braband, seit Jahren einer der Besten des Boulevard-Theaters im deutschsprachigen Raum, traut sich was: Nix da mit Tür-auf-Tür-zu-Humor oder lustigen Verwechslungen, keine neckische Lovestory, null Schenkelklopf-Witz. Er widmet sich Ernstem.

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Maria (Peggy Lukac) ist hochbetagt, verwitwet, krank, einsam. Tochter Hanna (Julia Bremermann), sehr engagiert in der Flüchtlingshilfe, kommt ab und an vorbei. Sehr viel mehr als Klagen bekommt sie von der Mama nicht zu hören. Maria ist des Lebens überdrüssig. Daran kann niemand etwas ändern, weder die sich abmühende Pflegekraft Nancy (Marie Schöneburg) noch Mohamed (Mohamed El-Asmer), ein kaum Deutsch sprechender Flüchtling, Schützling der Tochter, dessen Verfahren zu einem Asylantrag sich hinzieht. Er hilft Maria ein wenig im Garten.

In wegen der Sprachbarriere manchmal schwierigen Gesprächen und über Musik kommen sich Maria und Mohamed näher, aber nie wirklich nah. Denn sie verfolgt einen sehr eigenen Plan, was das Ende ihres Daseins auf Erden angeht. Und ihn belastet Schreckliches, worüber er mit niemandem reden kann ...

Leise Töne dominieren

Folke Braband setzt als Autor und Regisseur vor allem auf leise Töne. Selbst krachkomische Momente, von denen es einige gibt, werden nicht mit Karacho serviert. Erfreulich auch der Umgang mit Sprache: Mohamed verwandelt sich nicht im Handumdrehen in einen perfekt deutsch parlierenden Helden, sondern hat oft nur die Worte seiner Muttersprache. In den Gesprächen mit Maria bleibt denn auch einiges unausgesprochen. Viele Themen werden angerissen: das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende, Angst vor Terrorismus, Fremdenfeindlichkeit, die Last des grauenvollen Erbes, das die Nazis hinterlassen haben, Meinungen von politisch links bis rechts.

Meist werden Fragen und Probleme lediglich angetippt. Das Publikum darf weiterdenken. Großartig: es wird nicht vordergründig argumentiert, sondern es werden geschickt Reizworte in den Raum gestellt, es wird auf Irritation gesetzt. Und das bei den Figuren im Stück und bei den Menschen im Zuschauerraum. Bei allem Ernst mutet das erstaunlich leicht und luftig an. Wozu auch das Bühnenbild von Tom Presting mit einer gewissen Beiläufigkeit beiträgt. Andeutungen bestimmen das Bild, bestimmen das ganze Spiel.

Exzellentes Schauspiel

Das Schauspiel-Quartett agiert mit einer wirkungsvollen Mischung aus Lakonie, Witz und Sensibilität. Laut wird es sehr selten. Alle vier zeichnen erstaunlich komplexe Charakterstudien. Mohamed El-Asmer bewältigt die schwierige Rolle des Mohamed mit Bravour. In einem Moment erscheint er verschmitzt, dann verzweifelt, eben ist er Sunny Boy, dann Getriebener, mal mutet er wie ein offenes Buch an, dann wieder provoziert er düstere Ahnungen. Der Schauspieler schillert in x Facetten und gibt der von ihm verkörperten Figur damit eine packende Komplexität.

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Peggy Lukac als Maria leuchtet zwischen Resignation und Aufmüpfigkeit, Starrsinn und Angst, gesundem Menschenverstand und Verbohrtheit. Ihr gehören die meisten Lacher des Abends. Die sie erfreulicherweise nicht mit abgenutztem Komische-Alte-Witz provoziert, sondern mit feiner Verschmitztheit. Auch Julia Bremermann als Hanna und Maria Schöneburg als Nancy setzen nicht auf Effekthascherei und prägen sich deshalb trefflich ein.

Drolliges, Derb-Komisches, Grelles wird nicht geboten, sondern ein geistreicher Theaterabend. Lachen und Weinen liegen dicht beieinander. Dem Publikum wird das Amüsement geschenkt, zum Nachdenken angeregt zu werden, eine Menge Stoff zum Diskutieren mit auf den Heimweg zu bekommen.

Peter Claus, rbbKultur

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