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Atemnot, Kraftlosigkeit, Wasser in den Beinen - Menschen mit chronischer Herzschwäche haben eine geringere Lebenserwartung und müssen häufiger ins Krankenhaus. Umso wichtiger, die Herzleistung gut zu kontrollieren und konsequent zu behandeln. Dabei helfen inzwischen bestimmte Marker im Blut, aber auch neue Medikamente. Die rbb Praxis erklärt, was dahintersteckt, und fragt nach, was die Corona-Krise für Patienten bedeutet.
Die Herzschwäche, medizinisch Herzinsuffizienz genannt, ist ein Volksleiden: Etwa 30 Millionen Europäer leiden daran, rund zwei bis drei Millionen davon leben in Deutschland. Jedes Jahr erkranken 300.000 Patienten neu, 50.000 sterben. Mehr als 300.000 Menschen müssen jedes Jahr wegen einer Herzschwäche ins Krankenhaus, damit ist sie einer der häufigsten Gründe für eine Klinikeinweisungen.
Die Symptome
Die typischen Beschwerden sind:
· Atemnot
· Erschöpfung
· nachlassende Pumpleistung
· Leistungsabfall
· ständige Müdigkeit
· Flüssigkeitseinlagerungen
· Gewichtszunahme
Unabhängig von der Ursache ist bei der Herzschwäche die Pumpkraft des Herzens eingeschränkt, der Körper wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Die Diagnose und auch die Therapiekontrolle einer Herzschwäche erfolgt mittels Ultraschall, auch Echokardiographie genannt.
Vielfältige Gründe für Herzschwäche
Ursachen für die Herzschwäche gibt es mehrere. Meist entsteht die Erkrankung schleichend: Über Monate und Jahre sind die Patienten immer schlechter belastbar. Die Hauptursache einer Herzschwäche oder Herzinsuffizienz sind verengte und verschlossene Herzkranzgefäße. Die Patienten erleiden dann zum Beispiel einen Herzinfarkt, das unterversorgte Muskelgewebe stirbt ab und wird durch funktionsloses Narbengewebe ersetzt. Auch ein erhöhter Blutdruck kann das Herz schwächen, denn ständig gegen einen Widerstand zu arbeiten, ist für das Organ anstrengend.
Weitere Ursachen für eine Herzschwäche sind:
· Alkohol
· Drogen
· Herzrhythmusstörungen
· beschädigte Herzklappen
· Herzmuskelentzündung
· zusätzliche Erkrankungen wie Diabetes
Neue Werte zur Diagnose und Therapiekontrolle
Um die Herzleistung zu kontrollieren, prüfen Kardiologen heute unter anderem Blutwerte wie BNP oder NT-proBNP (eine Vorläufersubstanz von BNP).
BNP steht für das englische "Brain Natriuretic Peptide". Das ist ein Hormon, das zusammen mit ANP (Atriales natriuretisches Peptid) den Wasserhaushalt und den Blutdruck im Körper kontrolliert. Die beiden Eiweiße werden vor allem in den Muskelzellen des Herzens gebildet: BNP in den Herzkammern, ANP in den Herzvorhöfen. Kleinere Hormonmengen produzieren die Nebennieren und das Gehirn.
Die Kontrolle des BNP-Wertes kann einen großen Nutzen haben. Denn der zeigt eine Herzschwäche an, bevor diese sich massiv entwickelt hat und dann meist chronisch geworden ist.
Bei einer akuten Herzschwäche ...
· ist das Herz zu schwach, um das Blut ausreichend in den Körperkreislauf zu pumpen.
· nimmt die Leistung ab.
· staut sich das Blut staut im Herzen zurück.
· steigt der Druck.
· schütten die Muskelzellen auf diesen Reiz hin BNP und ANP aus.
· scheiden die Nieren in der Folge mehr Natrium und Wasser aus.
· nimmt das Blutvolumen dann ab, der Blutdruck sinkt.
Als "normal" gilt bei gesunden Menschen ein BNP-Wert von bis zu 100 Nanogramm pro Liter Blutserum. Welcher Wert genau auf eine Herzschwäche hinweist, lässt sich nicht konkret sagen. Besteht der Verdacht auf eine Herzschwäche, muss der BNP-Wert mehrmals abgenommen werden – denn nicht der absolute Wert ist entscheidend, sondern der Verlauf der Werte. Mithilfe dieses Verlaufs kann der Arzt unterscheiden, ob eine bestehende Atemnot durch eine Herzschwäche oder durch eine Lungenkrankheit verursacht wird. Zudem eignet sich der BNP-Wert, um die Therapie bei Patienten mit Herzschwäche zu kontrollieren.
Klassische medikamentöse Therapie
Besteht eine Herzschwäche, werden die Patienten mit verschiedenen Medikamenten behandelt. Wirksame und bewährte Arzneien sind:
· Diuretika, die entwässern,
· Beta-Blocker, die den Herzschlag harmonisieren,
· ACE-Hemmer, die die Pumpkraft des Herzmuskels unterstützen.
Je weiter die Herzschwäche fortschreitet, desto kleiner wird die Auswahl der Alternativen. Seit ein paar Jahren kommt jedoch immer öfter ein Wirkstoff namens Dapagliflozin aus der Gruppe der sogenannten SGLT2-Hemmer zum Einsatz. Er reguliert den Blutzucker, den Blutdruck und reduziert zugleich das Gewicht – und zwar völlig unabhängig von der Insulinausschüttung und -wirkung im Körper.
Werden zum Beispiel Kohlehydrate mit der Nahrung aufgenommen, erhöhen sie den Blutzucker. Bei Patienten mit SGLT2-Hemmer werden nun aber zunächst bestimmte Rezeptoren in der Niere blockiert. Normalerweise sorgen die Rezeptoren dafür, dass die Zuckernährstoffe ins Blut gelangen. Durch ihre Hemmung scheidet die Niere übermäßigen Zucker vorher direkt über den Harn aus. Ergebnis: Der Blutzucker normalisiert sich langfristig. Das Gewicht sinkt durch die reduzierte Menge an aufgenommenen Kalorien.
SGLT2-Hemmer auch bei Herzschwäche ohne Diabetes
Dapagliflozin ist für Diabetiker Typ 2 seit 2012 zugelassen, für Diabetiker vom Typ 1 seit vergangenem Jahr. Haben Patienten zusätzlich eine Herzschwäche, erfüllt der Blutzuckersenker eine doppelte Funktion. Diabetes ist heute aber keine Voraussetzung mehr für die Therapie: Auch Patienten mit Herzschwäche und ohne Diabetes profitieren von Dapagliflozin. In Studien hat sich gezeigt, dass Dapagliflozin die Sterblichkeit von Patienten mit Herzschwäche senkt – und die Betroffenen seltener ins Krankenhaus müssen. Bisher nehmen Patienten mit Herzschwäche Dapagliflozin jedoch nur Rahmen von Studien. Das Präparat soll demnächst für die Herzschwäche zugelassen werden.
ARNI – eine weitere neue Klasse von Medikamenten
Seit 2016 ist eine zweite, ganz neue Klasse von Medikamenten gegen die Herzschwäche im Einsatz. Sie nennt sich ARNI, Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor. Im Grunde handelt es sich dabei um die Kombination zweier Wirkstoffe – Valsartan und Sacubitril. Valsartan weitet die Blutgefäße, verhindert einen Anstieg des Blutdrucks und entlastet so das Herz. Sacubitril wiederum verlangsamt den Abbau von herzschützenden Hormonen.
COVID-19 und das Herz
Ein erhöhtes Risiko bei einer COVID-19-Erkrankung haben Menschen, die älter als 60 Jahre sind und neben Lungenerkrankungen auch von anderen chronischen Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen sind. Daher sind auch Menschen mit Herzschwäche für eine Infektion mit SARS-CoV-2 besonders anfällig. Patienten mit Herzleiden gehören nach ersten Beobachtungen bei den bisherigen COVID-19-Patienten klar zu der Gruppe mit schweren Verläufen. Prinzipiell sind bakterielle oder virale Infektionen für diese Menschen schon ein Risiko.
Bei SARS-CoV-2 ist dieses Risiko wohl noch zusätzlich erhöht, denn das SARS-CoV-2 gelangt über die Bindung an den Rezeptor ACE2 in die Wirtszellen. ACE2 wiederum ist Teil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), ein Regelkreis, der den Volumenhaushalt des Körpers mit verschiedenen Hormonen und Enzymen steuert.
Inwiefern die Regulation von ACE2 in verschiedenen Organen eine Infektion mit SARS-CoV-2 begünstigt oder sogar im Zusammenhang mit multiplem Organversagen (ARDS) wie Herzversagen steht, ist bisher nicht geklärt. Medikamente, die in diesen Regelkreis eingreifen, stehen in Verdacht, den Krankheitsverlauf von COVID-19 sowohl positiv als auch negativ zu beeinflussen. Bis die Wissenschaft eindeutige Erkenntnisse über die konkreten Gefahren hat, sollten Herzpatienten keinesfalls ohne Absprache mit dem behandelnden Arzt ihre Therapie verändern.
Filmbeitrag: Ursula Stamm
Infotext: Beate Wagner