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Sie waren das Rückrad der medizinischen Versorgung in der DDR: Polikliniken,
ambulante Behandlungszentren mit fest angestellten und vom Staat entlohnten Ärzten verschiedenster Fachrichtungen in einer Art sozialistischen "Großpraxis". Quasi Tür an Tür praktizierten Allgemeinmediziner, Gynäkologen, Augenärzte, Zahnärzte, Hautärzte, Orthopäden und andere. Eine medizinische Zeitreise.
Ob Schmerzen oder ein kleiner Unfall - erste Anlaufstelle waren in der DDR die Polikliniken. Diese ambulanten Versorgungszentren hatten mindestens fünf Fachrichtungen unter einem Dach. Fachärzte da waren nicht als niedergelassene selbstständig, sondern in der Poliklinik fest angestellt und wurden vom Staat bezahlt.
Polikliniken: Keine Erfindung der DDR
Die Poliklinik war keine Erfindung der DDR. Es gab sie schon früher, etwa in der Weimarer Republik. Aber das Modell schien der DDR-Staatsführung genau das richtige, sagt der Medizinhistoriker Dr. Udo Schagen: "Dann hat die DDR, mithilfe der sowjetischen Besatzungsmacht, als normale Struktur des Gesundheitswesens beschlossen: Der Staat ist verantwortlich für die gesundheitliche Versorgung. Und der Staat richtet flächendeckend Polikliniken ein."
Viele Vorteile - aber auch ein paar Haken
Zu Anfang wurden viele Eröffnungen medial wirksam gefeiert. Besonders im Fokus stand die Medizin auch, um die Arbeitskraft der Bevölkerung sicher zu stellen. Auf Drängen der UdSSR mussten Betriebe mit mehr als 4.000 Mitarbeitern Polikliniken eröffnen, zum Beispiel im Stahl- und Walzwerk Brandenburg.
Insgesamt gab es bis kurz vor dem Fall der Mauer rund 630 Polikliniken. Die Vorteile lagen auf der Hand: Geräte konnten gemeinsam angeschafft und genutzt werden. Die Wege zu verschiedenen Fachärzten waren kurz und der Patient hatte eine Akte, auf die alle Ärzte in der Poliklinik bei Behandlung schnell zugreifen konnten - so ging wenig Information verloren.
Letzteres war aber auch ein Nachteil: In riesigen Wartezimmern kriegten sowohl Ärzte, wie auch andere Patienten alles voneinander mit. Privatssphäre und Arztgeheimnis waren kaum praktikabel durchzuhalten.
Als das System zerbrach
Zu knabbern hatte das medizinische Personal in den Polikliniken vor allem aber am allgegenwärtigen Mangel - besonders an Ausstattung und Medikamenten. Mit dem Ende der DDR kam das Aus für die Polikliniken. Ärzte und Pflegepersonal protestierten dagegen. Der Einigungsvertrag setzte auf das westdeutsche Modell, mit dem freiberuflichen Arzt als Säule der ambulanten medizinischen Versorgung. Als Folge verließen Ärzte scharenweise die teilweise maroden Einrichtungen und ließen sich nieder.
Nachfolger der Poliklinik
Doch viele Vorteile der Polikliniken sind bestechend - und deshalb hat die Poliklinik quasi einen modernen Nachfolger gefunden: Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZs. Manchmal sind sie sogar in den Gebäuden der alten Poliklinik untergebracht.
Die Ärzte dort sind Angestellte, anders als in Ärztehäusern. Die fachübergreifende ambulante Rundumversorgung ist nicht nur für Patienten praktisch. Sie senkt auch Kosten, z.B. durch die gemeinsame Anschaffung und Nutzung von Geräten und Labormaterial. Heute gibt es in Berlin 320 Medizinische Versorgungszentren, in Brandenburg sind es 106.
Filmbeitrag: Carola Welt