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Jeder zweite Patient leidet an den Folgen der Intensivtherapie. Die ERIC-Studie der Berliner Charité soll das ändern.
Jährlich werden in Deutschland mehr als zwei Millionen Patienten auf Intensivstationen behandelt, 400.000 von ihnen künstlich beatmet. Etwa jeder Zweite hat danach mit Langzeitfolgen und Defiziten zu kämpfen. Derartige Schäden chronifizieren oft – bleiben also dauerhaft - und sind nur schwer behandelbar. Dazu gehören Organfunktionsstörungen, die beispielsweise zur Langzeitbeatmung führen. Allein in der Region Berlin-Brandenburg werden nach aktuellen Schätzungen etwa 2.000 Patienten außerhalb von Kliniken beatmet.
Langzeitbeatmung mit Folgen
Die Langzeitbeatmung zieht weitere Probleme nach sich: So haben 40 Prozent der ehemaligen beatmeten Patienten nach drei Monaten signifikante kognitive Schäden. Die sind von ihrer Wirkung teilweise vergleichbar mit den Erscheinungen einer Alzheimer-Demenz. Zudem können Angst- und Schlafstörungen auftreten.
Rund ein Viertel der Patienten leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS): Die Ungewissheit über die eigene Prognose, die häufige Unfähigkeit, sich mitzuteilen, der hohe Geräuschpegel der Intensivmaschinen, die Betriebsamkeit auf der Station und der daraus oft resultierende Schlafmangel, aber auch das Miterleben der Schicksale in den Nachbarbetten können Intensiv-Patienten traumatisieren. Andere Patienten wiederum haben vor allem muskuläre Defizite, sind körperlich nicht mehr so belastungsfähig, brauchen häufiger Pausen und sind schneller erschöpft.
ERIC‑Projekt für weniger Langzeitschäden
Um das Leben dieser Intensivpatienten zu verbessern bzw. dafür zu sorgen, dass Langzeitschäden gar nicht erst auftreten, hat die Charité Berlin das Projekt "Enhanced Recovery after Intensive Care" (ERIC) gestartet. Das ERIC‑Projekt erforscht die Langzeitfolgen nach intensivmedizinscher Behandlung, genannt Post Intensiv Care Syndrom.
An der Studie sind elf Kliniken aus Berlin und Brandenburg beteiligt, die sich per Videokonferenzen austauschen. Damit soll die Behandlung der Intensivpatienten verbessert, Langzeitfolgen verringert und Wissen zur Vermeidung von Langzeitfolgen verbreitet werden.
So viel wie nötig, so wenig wie möglich
Ein Anspruch des ERIC‑Projekts: Die Patienten sollen so kurz wie möglich an Maschinen angeschlossen sein, so wenig Narkose‑Medikamente wie möglich bekommen. Zudem geht es darum, neben der Behandlung von Organen und Organsystemen auch Körper und Psyche der Patienten ganzheitlich zu betrachten – und individuell zu behandeln.
Nur, wenn Ärzte und Pflege alle wichtigen Kriterien erfassen und auftretende Probleme therapieren, so die Überzeugung der initiierenden Experten von ERIC, verlassen Patienten die Intensivbehandlung ohne Schäden.
Tele-Visiten als zentrales Mittel
Die Telemedizin bringt das medizinische Wissen aus der ERIC‑Studie direkt zu den Patienten: Ärzte der Charité führen via eines Visitenroboters Tele-Visiten mit den Kollegen der teilnehmenden Kliniken durch.
Im Mittelpunkt steht die Implementierung von Qualitätsmerkmal zur intensivmedizinischen Behandlung, die über die E-Health Plattform automatsch erhoben und ausgewertet werden. Dabei übernehmen die Charité-Mitarbeiter eine zusätzliche beratende Funktion. Die Ärzte vor Ort haben den Kontakt zu den Patienten und sind für deren Behandlung zuständig. Können sich aber die Fachwissenexpertisen ihrer Kollegen aus Berlin zu Nutze machen.
Infotext: Constanze Löffler
Filmbeitrag: Jana Kalms