Auge mit Grafik von Testbuchstaben für Augenuntersuchung darüber (Bild: imago images/Panthermedia)
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Interview l Neue Therapieansätze bei Netzhauterkrankungen - Makuladegeneration: Netzhaut in Gefahr

Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist für Betroffene eine enorme Belastung – das Sehen und Erkennen von Gesichtern und Gegenständen fällt zunehmend schwerer. Der Grund: Der wichtigste Teil der Netzhaut wird über kuurz oder lang zerstört. Scharfes Sehen ist nicht mehr möglich. Wie man AMD erkennt und wie sie inzwischen behandelt werden kann, hat die rbb-Praxis mit der Direktorin der Augenklink der Berliner Charité besprochen, Prof. Dr. Antonia Joussen.

Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) - das Wort mag es nicht sein, die Krankheit ist leider vielen Menschen in Deutschland geläufig, Experten gehen von rund vier Millionen aus.
Die bisher unheilbare Erkrankung der Netzhaut ist hierzulande die häufigste Ursache schwerer Sehbehinderungen bei Menschen über 60. Doch die Forschung arbeitet intensiv an neuen Therapien.

Prof. Joussen, wie äußert sich eine altersbedingte Makuladegeneration?

Es gibt unterschiedliche Formen der altersbedingten Makuladegeneration - eine trockene und eine feuchte. Bei beiden Formen hat der Patient insbesondere beim Lesen und in allen Nahbereichen Schwierigkeiten, Buchstaben oder ganze Wörter zu entziffern.
 
Je weiter die Krankheit voranschreitet, umso schwieriger wird es. Die trockene AMD hat eher einen langsamen Verlauf, die feuchte kann das zentrale Sehen sehr schnell schädigen und vollständig zerstören. Im Endstadium einer trockenen AMD kann der Patient allerdings auch nicht mehr lesen.

Wie unterscheiden sich die trockene und die feuchte AMD?

Bei der trockenen AMD sind zunächst die Pigmentzellen unter der Netzhaut betroffen, später sind auch die neuronalen Zellen, also die eigentliche Netzhaut, beschädigt.
Bei der feuchten Makuladegeneration wachsen neue Gefäße. Diese Gefäße sind krankhaft und bluten. Wenn man diese nicht behandelt, bilden sie eine große Narbe.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Bei der feuchten AMD hat man seit den 1980er Jahren verschiedene Verfahren versucht, zum Beispiel mit einem Laser oder einem Farbstoff behandelt. Das Problem war bei diesen Methoden, dass diese zwar die Krankheit aufhalten konnten, aber nicht verbessern.
Das hat sich vor etwa zwanzig Jahren geändert: Seitdem ist die gängige Behandlung ein Medikament in das Auge zu spritzen, das das Gefäßwachstum hemmen kann. Das ist ein sogenannter Anti-VEGF Antikörper.

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Die Behandlung ist sehr erfolgreich und führt zu einer Sehverbesserung, weil sie das Ödem der Netzhaut reduziert und das krankhafte Gefäßwachstum hemmt. Das wirkt allerdings nur über einen bestimmten Zeitraum, in der Regel etwa vier Wochen. Die trockene Makuladegeneration ist bislang unbehandelbar.

An neuen Behandlungsmöglichkeiten wird geforscht - mit was beschäftigen sich die Wissenschaftsgruppen da gerade?

Es wird an Substanzen geforscht, die einen anderen Wirkmechanismus haben, zum Beispiel auf Entzündungsmechanismen wirken oder an die an den Gefäßmantelzellen ansetzen. Bislang ist es aber leider so, dass alle Medikamente oder Ansätze, die man hatte, um eine trockene Degeneration zu behandeln, letztlich nicht gewirkt haben. Das ist frustrierend.

Welche Rolle spielt bei der Behandlung in Zukunft die Gentherapie?

Das ist schwierig zu sagen, weil die altersbedingte Makuladegeneration eine multigenetische Erkrankung ist. Das heißt, die AMD wird durch eine ganze Reihe von genetischen Veränderungen ausgelöst, die eine Prädisposition machen, das heißt eine Veranlagung. Ein einzelner Defekt löst keine Krankheit aus.
 
Therapeutisch angehen kann man diese prädisponierenden Gene nicht, denn dazu kommen meist noch andere Faktoren hinzu. Eine Gentherapie wirkt aktuell nur bei sogenannten monogenetischen Erkrankungen, das heißt Erkrankungen, die durch ein ganz bestimmtes Gen verursacht werden. Bei einer AMD ist eine Gentherapie erstmal nicht machbar.

Könnte die Transplantation von Organoiden, also gezüchtete Pigmentzellen, die AMD heilen?

Man kann natürlich Organoide züchten. Das Problem ist allerdings, dass sie dann die neuen gezüchteten Pigmentzellen in eine Umgebung des Auges einsetzen, die beschädigt ist. Darin müssten die Zellen überleben und das können sie langfristig nicht. Das Problem ist also das Umfeld. Man kann es vereinfacht sagen: In einer beschädigten Umgebung macht auch eine gezüchtete Pigmentzelle schlapp.

Was weiß man inzwischen über die genauen Ursachen der Altersbedingten Makuladegeneration?

Die Ursachen sind vielfältig. Es gibt Gene, die eine Prädisposition, also eine Anfälligkeit, bewirken. Ein weiterer Risikofaktor ist das Rauchen, das lässt die Krankheit weiter voranschreiten. Zudem nimmt man an, dass die Ernährung eine Rolle spielt und natürlich das Lebensalter.

Prof. Joussen, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Laura Will

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