Collage dreier Kopfhörer an einem Frauenohr: On-Ear-Kopfhörer, In-Ear-Kopfhörer und der klassische Bügelkopfhörer (Bild: rbb/Hennerici)
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Kopfhörer im Test - Gefahr fürs Gehör?

Rund 15 Millionen Deutsche leiden an Hörschäden. Und das Hörproblem ist keine Frage des Alters - auch jeder vierte Jugendliche hat schon etwas "an den Ohren". Ein wichtiger Faktor dafür ist der Lärm direkt am Ohr - durch den Kopfhörer. Worauf es dabei für den gesunden Hörgenuss ankommt? Die rbb Praxis informiert.

Ob bei der Arbeit, unterwegs oder privat zu Hause - fast jeder von uns benutzt täglich Kopfhörer. Das gilt nicht nur für Musikfreunde - dank des integrierten Mikrofons sind viele Kopfhörer gleich zum praktischen Headset geworden. Was vorher schon eine Gefahr beim Kopfhörer allgemein war, hat dadurch zugenommen: Wir drehen den Ton lauter und riskieren die sogenannte Lärmschwerhörigkeit, also den Verlust von Hörzellen.
 
Der Drang zum Lautermachen ist groß, klar: Besonders Worte, also Radiobeiträge, Hörbücher oder eben Telefonate sind über den Alltagslärm hinweg schwer zu verstehen. Tatsächlich kann unser Gehör aber schon bei einer Lautstärke von 80-85 dB dauerhaften Schaden nehmen, so der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte.

Jeden Tag ein Motorrad im Ohr - stundenlang

Das entspricht beispielsweise der Lautstärke eines Motorrades, das nicht weniger als einen Meter entfernt knattert. Oder auch ein Zug oder Rasenmäher liegen mit etwa 90 dB nur wenig darüber in der Lautstärke. Die Beispiele klingen erst einmal extrem, aber tatsächlich müssten wir zum Beispiel unser Handy unter die 60 Prozent-Marke stellen, um unseren Ohren  nichts in "Motorradlautstärke" zuzumuten.

Der Weg zum Hörschaden ist also denkbar einfach und breit. Diese 80 dB-Grenze kann jede Audioquelle jederzeit leicht überschreiten. Die gängigsten zehn Smartphone-Modelle in Deutschland haben alle eine Maximalleistung von deutlich über 100 dB, die sie über den Kopfhörereingang abfeuern können.

Runter drehen und "Pause machen"

Beim Kopfhörer rückt die Schallquelle eben direkt ans Ohr - das alleine birgt schon die Gefahr, den Ton versehentlich zu laut zu stellen. Darum ist es wichtig immer wieder zu überprüfen, wie die Lautstärke geregelt ist. Auf keinen Fall sollte das Gehör für längere Zeit extremer Lautstärke aus nächster Nähe ausgesetzt sein: Der Berufsverband Deutscher HNO-Ärzte setzt ein Zeitlimit von einer Stunde - dann kann das Gehör dauerhaften Schaden nehmen, Hörzellen sterben ab. Ein sogenanntes "Schalltrauma" droht - Alarm für das Gehör. Ein wichtiger erster Schritt kann schon sein: einfach mal raus aus der Lärmzone oder den Kopfhörer absetzen. Mit kurzen Belastungen kann unser Ohr nämlich besser zurecht kommen. Es ist der Dauerlärm - auch wenn er noch so groovt oder rockt - der zum Hörverlust führt.

 
Dieser Hörverlust durch Lärmschwerhörigkeit betrifft oft zuerst die Frequenzen um 4.000 Hertz. Ein Bereich, der beim Verstehen von Sprache zum Beispiel noch nicht relevant ist - die Betroffenen merken deshalb selten, dass der Hörverlust schon begonnen hat und sie besonders vorsichtig sein müssen. Die Folge: Nichts wird eingeschränkt und bald gehen auch die für uns alle "wichtigeren" Hörfähigkeiten immer weiter verloren. Ein Beispiel: 2012 konnte bereits bei fast jedem vierten Jugendlichen ein Schaden am Gehör festgestellt werden. Und: "Einmal am Gehör eingetretene Lärmschäden sind nicht mehr heilbar," warnt Professor Stefan Dazert, Dozentenkanzler der Deutschen Fortbildungsgesellschaft der HNO-Ärzte.

So finden Sie den Richtigen

Außerdem kann der Kopfhörer aber auch schützen - vor lauten Umgebungsgeräuschen zum Beispiel. Das trifft aber nicht für alle im gleichen Maße zu. Am besten eignet sich der klassische Bügelkopfhörer - bei ihm liegt ein dickes Polster zwischen Lautsprecher und Ohr, das auch die Außengeräusche wirksam dämmt. Das liegt allein daran, dass diese Art von Polstern oft aus Schaumstoffen bestehen. Genau dadurch muss die Lautstärke auch in der Bahn oder auf der Straße nicht so stark aufgedreht werden, um etwas hören zu können. Aber Vorsicht: Durch die Isolierung gelangen auch wichtige Geräusche aus dem Straßenverkehr schlechter ans Ohr.

Außerdem sollte der Bügelkopfhörer auf keinen Fall an den Ohren oder Schläfen Druck ausüben und möglichst leicht sein - sonst kann das zu Kopfschmerzen und Sinnesstörungen führen. Ein Tipp: Billiges Plastik ist leichter als teures Leder.

In-Ear Kopfhörer steckt in einem Frauenohr (Bild: rbb/Lucia Hennerici)

Der In-Ear-Kopfhörer ist von vorn herein klein und leicht - und mittlerweile auch in der Tonqualität besser als sein Ruf. Deshalb ist er so beliebt. Noch dazu ist er billig - ab fünf Euro sind die kleinen Knöpfe überall zu finden und beim Handykauf bekommt man sie meistens sowieso gleich dazu.
 
Getragen wird er im äußeren Teil des Gehörgangs - und genau da kann das Problem entstehen. Denn wirklich isolieren können die kleinen Knöpfe im Ohr nicht, trotzdem blasen sie den eigenen Sound direkt gen Trommelfell, wie durch einen Trichter. Die Folge: Je lauter die Umgebung, desto größer ist die Verführung die Lautstärke immer höher zu drehen und sich direkt ins Gehör zu blasen. Noch dazu sind die meist günstigen In-Ear-Kopfhörer sehr standardisiert gefertig - gerade der Gehörgang, das Gebilde aus Knorpel an der Ohrmuschel, ist aber sehr individuell geformt - also kann der Kopfhörer schnell Druck auf empfindliche Nerven im Ohr ausüben. Und schließlich das Thema Hygiene: Das Ohr ist ein weitestgehend selbstreinigendes Organ, der Ohrenschmalz beweist - hier wird regelmäßig sauber gemacht und ausgemistet. Doch In-Ear-Kopfhörer drücken den Ohrenschmalz zurück.

Weißer On-Ear-Kopfhörer am Ohr einer Frau

Der On-Ear-Kopfhörer ist selten geworden - zumindest unter Menschen, die keinen Sport machen, bei denen ihnen Bügel- und In-Ear-Kopfhörer vom Ohr rutschen. Denn diese On-Ear-Kopfhörer haken sich per Bügel tatsächlich hinter die Ohrmuschel, machen sich die Anatomie zu Nutze. Ihre Leistung ist meist geringfügig besser, als die der In-Ear-Knöpfe, was das Hertz-Spektrum angeht, auch wenn wir die meisten Frequenzen außerhalb des Bereiches zwischen 0 und 20.000 Hertz kaum hören können, zumindest nicht unterwegs in der Stadt mit ihren Außengeräuschen.
 
Der On-Ear-Kopfhörer verbindet ein paar positive Eigenschaften von Bügel- und In-Ear-Kopfhörern: Er dringt nicht in die Anatomie des Ohres ein, sondern bleibt außen vor. Weil er ohne Druck eines Bügels anliegt, kann er auch keinen Druck auf die Schläfen ausüben. Und: Wichtige Außengeräusche, zum Beispiel aus dem Straßenverkehr, dämpft er nicht weg.

Allerdings macht es diese fehlende Isolierung auch wieder verführerischer die Lautstärke hoch zu drehen und an die Qualität eines Bügelkopfhörers kommt das kleine "Anhängsel" unter den Kopfhörern auch nicht heran.

Warnsignale des Ohres

Welcher Kopfhörer der richtige für Sie ist, kommt auf ihre Ansprüche an Klang, Gewicht, Größe und nicht zuletzt auch Optik und den Preis heran - klar.
 
Trotzdem ist der Kopfhörer nicht alles, es kommt auch auf die Länge der Nutzung an. Wer über eine Stunde Musik über 85 dB hört, muss mit dauerhaften Hörschäden rechnen. Wer es deutlich länger auf den Ohren krachen lässt, riskiert vorrübergehende Schwerhörigkeit.
 
Akute Gefahr für das Gehör besteht grundsätzlich immer dann, wenn man im Abstand von wenigen Minuten bis zu einer halben Stunde das Gefühl hat, die Lautstärke immer wieder nach oben hin anpassen zu müssen. Achten Sie dann auch auf Ihre Umgebung: Ist die lauter geworden? Denn besonders, wenn das nicht der Fall ist, will der Körper uns warnen. Das gilt ebenso für sekunden- oder gar minutenlanges Summen oder ein watteartiges Gefühl im Ohr.
 
Egal wie heiß geliebt der Kopfhörer ist - bei diesen Alarmsignalen heißt es erst einmal: Weg vom Ohr!

Beitrag von Lucia Hennerici

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Junge flüstert Mädchen ins Ohr (Quelle: imago/Westend61)
imago images/Westend61

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