Über die Krankheit

• Was genau ist Diabetes?

  Der Diabetes mellitus ("honigsüßer Durchfluss") ist eine Stoffwechselerkrankung. Schlüsselhormon dieser Krankheit ist das Insulin, das die Bauchspeicheldrüse nicht oder nicht genug produziert. Insulin braucht der Körper jedoch, um Zucker in die Zellen zu transportieren. Fehlt es, steigt der Blutzucker. Auf Dauer verstopfen Gefäße, feinste Adern und Nerven werden zerstört. Das wiederum führt zu Folgeschäden.
  
  Diabetiker bilden es aus unterschiedlichen Gründen kein oder nicht ausreichend Insulin.
  Die überwältigende Masse von ihnen leidet unter dem sogenannten Alters-oder Typ II-Diabetes. Deutschland ist im europäischen Vergleich eins der Länder mit den meisten Diabetikern vom Typ II. Die meisten der Betroffenen essen gern und sind übergewichtig. Wird dem Körper über die Nahrung ständig zu viel Glukose angeboten, steuert er dagegen: Die Insulinrezeptoren auf Fett-, Muskel- und Leberzellen werden weniger, damit weniger Zucker in die Zellen gelangt. Der Blutzucker bleibt hoch, ein fataler Kreislauf beginnt: Der Organismus schüttet noch mehr Insulin aus. Die Zellen reduzieren ihre Insulinrezeptoren weiter. Das Ergebnis ist eine Insulinresistenz, bei der die Zellen gegen das Insulin abstumpfen. Die Bauchspeicheldrüse produziert immer mehr Hormon, bis sie sich erschöpft und zuletzt den Dienst versagt.
  

• Insulin – das unterschätzte Hormon

  Insulin ist ein Hormon, das jeder Mensch zum Überleben benötigt. Denn ohne Insulin könnten unsere Körperzellen die Zuckermoleküle aus der Nahrung nicht verwerten. Wir würden jämmerlich verhungern. Die Bauchspeicheldrüse stellt Insulin in hoch spezialisierten Zellen her, den Betazellen der Langerhans-Inseln. Tag für Tag braucht der menschliche Organismus auf 40 bis 50 Einheiten Insulin. Etwas die Hälfte davon benötigt der Körper, um die Zuckerspitzen nach den Mahlzeiten abzufangen; der Rest sorgt für einen gleichmäßig niedrigen Blutzuckerspiegel im Tagesverlauf.

• Diagnose – wie sieht's aus?

  Der englische Arzt Thomas Willis diagnostizierte die Erkrankung erstmals Ende des 17. Jahrhunderts. Dafür kostete er Urin, der bei Diabetikern süßlich schmeckt. Das muss heute niemand mehr für die korrekte Diagnose machen. Erhöhte Blutzuckerwerte fallen meist bei Routine-Untersuchungen auf. Wie hoch die individuelle Gefährdung tatsächlich ist, untersucht der so genannte Glukosetoleranz-Test. Dafür trinken die Patienten eine zuckerhaltige Lösung. Per Blutprobe wird gemessen, wie schnell der Organismus den Zucker wieder abbaut. Liegt der Blutzuckerspiegel nach zwei Stunden noch immer über der Norm, schafft die Bauchspeicheldrüse es offenbar nicht mehr, den Zucker in der regulären Zeit abzubauen. 

• Typisch Diabetes – diese Formen gibt es

  Lange glaubte man, es gibt lediglich zwei Formen von Diabetes – eine, die bei jungen Menschen auftritt, deren Bauchspeicheldrüse überhaupt kein Insulin mehr produziert. Die zweite Form war der Altersdiabetes, der erst in späteren Lebensjahren auftritt. Mittlerweile kennen Mediziner weitere Diabetes-Typen. Jeder hat seine Besonderheiten. 

  Jugendlicher Diabetes (Typ I)

  Das Immunsystem richtet sich gegen die körpereigenen Betazellen der Bauchspeicheldrüse, und zerstört sie. Die Betroffenen haben einen Insulinmangel; sie müssen sich lebenslang Insulin spritzen. Als Ursachen diskutieren Mediziner genetische Veränderungen, Umwelteinflüsse und Virusinfektionen. Die Erkrankung beginnt häufig zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr. Rund 5 Prozent der Diabetiker haben einen Typ I-Diabetes. 

  Altersdiabetes (Typ II)

  Vom Altersdiabetes zu sprechen schönt die Lage. Viele Betroffene sind erst 30 oder 40 Jahre alt, sogar Kinder bekommen mittlerweile Altersdiabetes. Fast alle sind übergewichtig. Die Bauchspeicheldrüse produziert bei ihnen mehr und mehr Insulin. Doch ihre Fett-, Muskel- und Leberzellen können das Insulin jedoch nicht ausreichend verwerten; sie werden insulinresistent. Die effektivsten Therapien sind Bewegung und Ernährungsumstellung. Viele Typ II-Diabetiker sind jedoch bequem und lassen sich lieber Pillen und Insulin verschreiben. Rund 95 Prozent der Diabetiker hierzulande haben einen Altersdiabetes.  

  MODY (Maturity Onset Diabetes oft the Young)

  Diese besondere Form des Erwachsenendiabetes trifft Kinder und Jugendliche. Sie haben einen Gendefekt, so dass ihre Bauchspeicheldrüse weniger Insulin produziert. Mindestens zehn MODY-Formen sind bekannt –immer durch andere Gene ausgelöst. Praktisch immer ein Elternteil ist Diabetiker. Die Kinder sind nicht übergewichtig; oft helfen schon Bewegung und Diät als Therapie. Einige brauchen Tabletten oder Insulin. MODY betrifft zwischen 1 und 5 Prozent der Diabetiker. 

  LADA

  Der latente Autoimmundiabetes beim Erwachsenen ist ein Typ I-Diabetes, der langsamer verläuft. Die Betroffenen sind bei Erstmanifestation zwischen 25 und 35 Jahre alt. Anfänglich lässt sich der LADA mit Medikamenten behandeln, da die insulinbildenden Zellen der Bauchspeicheldrüse eben sehr langsam zerstört werden. Daher wird der LDA zunächst oft mit einem Altersdiabetes verwechselt. Nach durchschnittlich zwei bis vier Jahren brauchen diese Diabetiker jedoch Insulin. Unter den Typ II-Diabetikern sollen schätzungsweise zehn Prozent sein, die eigentlich unter einem autoimmun verursachten Insulinmangeldiabetes leiden, also einem LADA oder verzögert auftretenden Typ I-Diabetes.

  Pankreopriver Diabetes

  Nicht nur das Immunsystem kann die Bauchspeicheldrüse zerstören. Auch Entzündungen, Mukoviszidose, Verletzungen oder Bauchspeicheldrüsenkrebs können zum Ausfall des Organs führen. Mediziner sprechen dann vom pankreopriven Diabetes. Oft mangelt es diesen Patienten auch an Glukagon, dem Gegenspieler des Insulin, der ebenfalls von der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Die Patienten müssen sich deshalb konsequent überwachen und spritzen. Nur 0,5 Prozent der Diabetesfälle machen diese Gruppe aus. 

  Schwangerschaftsdiabetes

  Schwangere benötigen mehr Insulin als sonst. Gelegentlich kommt die Bauchspeicheldrüse mit der Produktion nicht nach, der Blutzuckerspiegel steigt. Das Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes nimmt zu, wenn die werdende Mutter übergewichtig oder älter als 30 Jahre ist und es Verwandte mit Diabetes gibt. Der erhöhte Blutzucker ist für Mutter und Kind riskant und muss deshalb gut eingestellt werden. Vielen Frauen gelingt das durch Bewegung und Ernährung; einige müssen sich spritzen. Bis zu 5 Prozent der Schwangeren sind betroffen.

• Therapie – gehen Sie es an

  Medikamente oder Diät, Spritzen oder Tabletten? Aus zahlreichen Studien weiß man, dass gerade beim so genannten Alters- oder Typ-II-Diabetes mehr Bewegung, eine gesunde Ernährung und ein paar Kilogramm weniger Körpergewicht den erhöhten Blutzucker am wirksamsten senken. Bessere Blutzuckerwerte können die Diabetesfolgen an Augen, Nieren und Nerven vermindern. Es könnte so einfach sein: Nur ein paar Kilo weniger – und die Blutzuckerwerte purzeln. Acht von zehn Diabetikern mit einem Typ II bräuchten dann keine Insulinspritzen mehr, weil das körpereigene Insulin wieder besser wirken würde.

• Therapie – Pillen gegen Zucker

  Blutzuckersendende Tabletten setzen an unterschiedlichen Stellen an. Sie stimulieren die Insulinproduktion oder sensibilisieren die verarbeitenden Zellen in Leber, Muskeln und Fettgewebe für das Hormon. Damit sie wirken, muss die Bauchspeicheldrüse also noch Insulin produzieren. Nicht alle Tabletten sind für jeden Diabetiker geeignet. Schlanken Diabetikern wird eher zu Sulfonylharnstoff geraten. Bei überflüssigen Pfunden gilt Metformin als Mittel der Wahl. 

• Therapie – Insulin aus der Spritze

  Zuckerpatienten müssen auf Insulinspritzen umsteigen, wenn die Bauchspeicheldrüse gar kein Insulin mehr produziert oder lässt sich der Blutzucker mit Tabletten nicht genug absenken lässt. Alters- oder Typ-II-Diabetiker benötigen das zuckersenkende Hormon im Durchschnitt fünf Jahre nach Beginn der Erkrankung. Kurz oder lang wirkendes Insulin, Pen oder Spritze, intensivierte oder herkömmliche Therapie – Diabetiker besprechen am besten mit ihrem Arzt, welches Insulin sich bei ihnen am besten eignet.
  
  Dabei sollte man ins beachten: Insulinspritzen senken zwar den Blutzuckerspiegel – sie können jedoch das körpereigene Insulin nicht komplett ersetzen. Der natürliche Hormonanstieg und -abfall des menschlichen Organismus konnte bislang mit keiner Zubereitung nachempfunden werden. Deshalb ist es den Ärzten und Wissenschaftlern bisher auch nicht gelungen, die typischen Diabetes-Komplikationen völlig zu vermeiden.

• Unterzuckerungen – das ohnmächtige Nachspiel

  Der größte Nachteil von Insulinspritzen sind Unterzuckerungen. Sie treten auf, wenn man sich zu viel Insulin gespritzt haben, die Nadel einen Muskel statt das Fettgewebe getroffen hat, oder wenn die Zellen durch Sport und Aktivität plötzlich den Zucker besser verwerten können. Der Organismus kann dann wichtige Organe nicht mehr mit ausreichend mit Zucker versorgen, besonders empfindlich reagiert das Gehirn. Warnzeichen wie Heißhunger, Übelkeit, Schwitzen und Schwäche kündigen den Mangelzustand an. 

• Folgen der Erkrankung

  Vor allem die erhöhte Rate von Gefäßverkalkungen und Schlaganfällen, von Herzinfarkten und einem schwachen Herzen bei Diabetikern stellt Ärzte und Wissenschaftler vor eine noch ungelöste Aufgabe. Mindestens 30.000 Menschen in Deutschland sind aufgrund ihres Diabetes erblindet, und mindestens 80.000 Menschen sind sehbehindert. Jeder zweite Herzinfarkt und jeder zweite Schlaganfall gehen auf das Konto eines Diabetikers. Bis auf vereinzelte Erfolge hat bislang kein Medikament dieses erhöhte Gefäß- und Herzrisiko wirkungsvoll beseitigt – im Gegenteil: Unter vielen Medikamenten nehmen diese Zwischenfälle noch zu.  

  Auge

  Der erhöhte Blutzuckerspiegel zerstört die kleinen Blutgefäße der Netzhaut, so dass diese geschädigt wird. Die Patienten leiden unter Sehstörungen und können erblinden – und zwar fünf Mal häufiger ans Nichtdiabetiker.

  Herz

  Durch die hohen Zuckerwerte verkalken die Herzkranzgefäße schneller. Das führt zu mehr Herzinfarkten. Auch die Nerven am Herzmuskel werden geschädigt, so dass Diabetiker Brustschmerzen und Enge-Gefühl als Vorboten des Herzinfarktes seltener bemerken. Weitere Komplikationen sind stumme Infarkte, Kammerflimmern und plötzlicher Herztod. 

  Nervensystem

  Der hohe Zuckerspiegel zerstört feine Nerven, die zu Kribbeln und Taubheit an den unteren Extremitäten führen. Auch das Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfinden ist bei Diabetikern gestört oder fällt ganz aus, so dass sie Verletzungen nicht bemerken. Wunden heilen bei ihnen schlechter. Deshalb sind häufig Amputationen einzelner Zehen oder sogar des Fußes notwendig. Rund 28.000 Amputationen jährlich nehmen Chirurgen an Diabetikern hierzulande vor.  

  Gehirn

  Menschen mit Diabetes haben ein stark erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall. Grund ist die häufigere Verstopfung wichtiger Gefäße, beispielsweise der beiden Halsschlagadern. Die Gerinnsel reißen sich los und blockieren wichtige Hirnarterien.

  Nieren

  Der erhöhte Blutzucker zerstört die Gefäße der Nieren, so dass diese Flüssigkeit und Giftstoffe nicht mehr ausreichend filtern können. Ein frühes Zeichen dafür ist der Nachweis von Eiweiß im Urin. Zunächst helfen Medikamente, die den Blutdruck senken und den Diabetes einstellen. Reichen die Medikamente nicht mehr aus, müssen Betroffenen zur Blutwäsche. Immerhin jeder dritte Dialyse-Patient ist Diabetiker. 

  Sexualität

  Infolge der Mangeldurchblutung treten bei Frauen und Männern Orgasmus- und Erektionsstörungen auf. Jeder zweite diabeteskranke Mann und jede dritte Diabetikerin leiden darunter.

  Hautveränderungen

  Diabetiker haben fast immer trockene, nahezu fettfreie Haut, die zu Schuppung neigt – und häufig juckt. „Pruritus diabeticorum“ nennen Mediziner den quälenden Juckreiz, der durch entsteht, weil der erhöhte Blutzuckerspiegel feine Nerven schädigt. Außerdem schwächt ein Diabetes die Hautbarriere. Das Immunsystem kann Erreger schlechter abwehren; Diabetiker leiden deshalb häufiger unter Hautinfektionen. Die Haut wird schlechter durchblutet und nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt. Dadurch altert sie schneller.