Frauen stoßen mit zwei Bierkrügen an (Quelle: dpa/Sven Hoppe)
Bild: dpa/Sven Hoppe

Sechs Monate nach der "Bierstudie" - Was wurde aus dem Glyphosat im Bier?

Ausgerechnet im 500. Jubiläumsjahr des Reinheitsgebotes verdarb ein Wort den Deutschen die Lust am Biergenuss: Glyphosat. Es steht im Verdacht krebserregend zu sein. Kritiker forderten, den Einsatz des Herbizids zu verbieten. Wie steht es heute um die Glyphosatbelastung unserer Biere? 

In dieser Woche wäre sie ausgelaufen - die EU-Zulassung für Glyphosat. Es ist ein Wirkstoff, der vor allem in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt wird. In den 1970er Jahren wurde Glyphosat patentiert und ist mittlerweile weltweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Unkrautvernichtungsmitteln sowie das am weitesten verbreitete Pflanzengift. Über 5.000 Tonnen werden allein in Deutschland pro Jahr eingesetzt. Und ein Teil davon landet auch in unserem Grundwasser und kommt damit wieder in den Kreislauf der Lebensmittelproduktion: zum Beispiel in Gerste und Hopfen, Grundbestandteilen des Bieres.

Obwohl es im Frühjahr und Sommer 2016 zahlreiche Proteste und viele tausend Unterschriften dazu gab - die EU-Kommission hat entschieden, dass Glyphosat zumindest in den nächsten 18 Monaten weiterhin zum Pflanzenschutz eingesetzt werden darf. Dann muss erneut entschieden werden. Bis dahin soll die Europäische Chemikalien Agentur ein Gutachten vorgelegt haben, das endlich klärt: Ist Glyphosat nun krebserregend oder nicht? Mindestens bis dahin bleibt also alles beim Alten in der Landwirtschaft. Lediglich der Einsatz von Glyphosat vor Erntezeiten soll "schärfer kontrolliert" werden, beschloss die Kommission im Juni. Was das genau heißt und wie es umgesetzt werden soll, bleibt offen.

Beim Bier hört der Spaß auf

Ein Bierjubiläum und eine anstehende EU-Entscheidung im Sommer 2016 - das waren für das Umweltinstitut München Anfang 2016 gute Gründe, sich die beliebtesten 14 Biere des Landes mal genauer anzuschauen. Der unabhängige Verein beauftragte ein Labor mit einer großen Untersuchung: Unter anderem wurde auf Rückstände des Herbizids Glyphosat getestet, da der Wirkstoff aus Pflanzenschutzmitteln ebenfalls 2016 für Aufruhr gesorgt hatte, als er in Muttermilch nachgewiesen wurde. Hier stellten sich die Konzentrationen allerdings als unbedenklich heraus – die rbb Praxis berichtete.

Anders beim Bier. Die Untersuchungen im Auftrag des Münchner Umweltinstitutes kamen zu dem Ergebnis: In allen getesteten Bieren wurde Glyphosat nachgewiesen. Die Werte lagen zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm pro Liter und damit im extremsten Fall fast 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 Mikrogramm. Im Gegensatz zum Trinkwasser gibt es für Bier keinen gesetzlichen Grenzwert. Auch heute nicht.  

Krebserregend oder nicht?

Ob Glyphosat tatsächlich krebserregend ist und in welchen Konzentrationen, ist bisher umstritten. Die EU-Kommission stützt sich auf eine Stellungnahme der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa), die das Mittel im November 2015 als "wahrscheinlich nicht krebserregend" beurteilte. Auch Aufsichtsbehörden in Deutschland kamen bisher zu diesem Schluss. Anders die WHO, die Glyphosat im März 2015 als "Wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen" eingestuft hatte.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte nach der Veröffentlichung der "Bierstudie" durch das Münchner Umweltinstitut in einer Presseerklärung: Unabhängig von der aktuellen Bier-Untersuchung seien selbst die höchsten Werte von rund 30 Mikrogramm pro Liter so niedrig, dass die hieraus rechnerisch resultierende Aufnahmemenge bei einem Erwachsenen mit 60 Kilogramm Körpergewicht mehr als 1.000-fach niedriger liegen würde als die derzeit als unbedenklich geltenden Aufnahmemengen. Kurz: Um gesundheitlich bedenkliche Mengen Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener rund 1.000 Liter Bier am Tag trinken.

Dagegen stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Mittel als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Hintergrund ist eine von der IARC durchgeführte Studie, die im März 2015 in der Fachzeitschrift Lancet Oncology erschien. Die Studie fasst Daten aus den USA, Kanada und Schweden zusammen und kommt zu dem Schluss, dass diverse Herbizide, darunter auch Glyphosat, definitiv bei Tieren und höchstwahrscheinlich auch beim Menschen Krebs auslösen können. Die Wissenschaftler konnten in letzterem Fall auch Beweise für eine Verbindung zwischen der Verwendung von Glyphosat und dem Vorkommen von Lymphdrüsen- und Lungenkrebs nachweisen.

Liegt es am Ende am Bauern?

Der Deutsche Bauernverband wies im Februar die Verantwortung von sich und den deutschen Bauern. Wie ein Sprecher in Berlin erklärte, sei der Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmitteln "bei der Vorerntebehandlung von Braugerste hierzulande verboten". Es sei zwar möglich, dass vereinzelt Bauern vor dem Einbringen der Gerstesaat den Boden mit glyphosathaltigen Mitteln behandelten, um diesen von Unkraut zu befreien. Glyphosat zersetze sich im Boden aber binnen zwei bis drei Wochen. Allerdings sei es möglich, dass Spuren von Glyphosat durch den Import von Braugerste Eingang in die Produktionskette gefunden hätten. Deutschland importiert circa so viele Tonnen Braugerste aus dem Ausland, wie es selbst herstellt: etwa eine Million Tonnen pro Jahr.

Viele deutsche Bauern sehen schon lange einen ganz anderen Zwiespalt: Sie versuchen die Verwendung von Pestiziden einzuschränken. Für viele sogenannte Biobiere wachsen Gerste und Hopfen sogar streng kontrolliert ohne Pflanzenschutzmittel oder Pestizide. Ein Problem, besonders bei den getesteten Produkten der Großbrauereien, bleibt aber Tatsache: Deutschland kann - gerade bei der Gerste - nicht genug Rohstoffe für die Bierproduktion herstellen. Deshalb wird importiert, gerne auch aus Ländern, in denen Glyphosat noch viel freimütiger eingesetzt wird, als bei uns. Beispiele sind Tschechien oder Dänemark.

Unsicherheit sorgt für Bio-Trend

'Was also trinken?' haben sich viele Bierfreunde schon länger gefragt und sind offenbar der Meinung gewesen, dass Bio eine Lösung sein könne. Das zumindest geht aus den Absatzzahlen für sogenannte Biobiere in Deutschland hervor: Laut dem Marktforschungsinstitut Biovista ist der Umsatz durch Biobier im Fachhandel in den vergangenen zwei Jahren um rund 14 Prozent gestiegen. Tatsächlich konnte bisher in Bio-Bieren kein Glyphosat nachgewiesen werden - allerdings wurden auch nur wenige untersucht. Trotzdem: Das Berliner Zertifizierungsunternehmen PCU Deutschland hat immerhin zehn Biere getestet - und kein Herbizid gefunden. 

Beitrag von Lucia Hennerici