Eine Vogelscheuche, aufgenommen am 22.09.2013 in einer Art Stadtgarten auf dem Tempelhofer Feld in Berlin (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Bild: dpa/Soeren Stache

Interview | Wie gesund ist Stadtobst? - Stadtobst - unbedenklich oder ungenießbar?

Obst und Gemüse, das an vielbefahrenen Straßen gewachsen ist - kann das gesund sein? Vor allem in Städten sind sie oftmals einer höheren Schadstoffbelastung ausgesetzt. Dr. Ina Säumel von der Technischen Universität Berlin hat das genauer untersucht - und machte in puncto Belastung von Stadtobst und -gemüse eine erstaunliche Entdeckung.

Frau Dr. Säumel, Äpfel, Birnen, Holunderbeeren vom Straßenrand - oft denkt man 'Wenn ich die jetzt essen könnte…' Kann man das denn?

Nachdem unsere Studie zu Kräutern und Gemüse eher alarmierende Ergebnisse zeigte, sind Nüsse, Kern-, Steinobst und Beeren geerntet in der Berliner Innenstadt, zum Teil selbst an sehr stark befahrenen Straßen, unbedenklich. Also ein klares Ja zum Stadtobst.

Muss ich irgendetwas beachten, bevor ich zum Beispiel in meinen Apfel aus dem Schrebergarten beiße?

Gründliches Abwaschen ist immer die Devise - egal ob Supermarktobst, Stadtobst oder Schrebergarten. 

Vor allem Schwermetalle aus der Luft können sich auf dem Obst und Gemüse ablagern. Doch woher stammen diese, wo wir doch inzwischen sogar mit bleifreiem Benzin Auto fahren?

Blei und Cadmium stammen zum Teil aus alten Farbanstrichen von Gebäuden sowie aus der Industrie. Auch durch die Müllverbrennung werden die Schadstoffe freigesetzt; Cadmium zudem bei der Düngemittelproduktion. Obwohl wir also seit langem überwiegend bleifrei fahren, haben wir es nach wie vor mit einem Erbe im Boden aus der Vergangenheit zu tun. Denn Schwermetalle bauen sich nicht ab, sie bleiben im Boden und können dann mit Feinstaub wieder aufgewirbelt werden. Aber es kommen auch Schwermetalle neu hinzu: vom Reifenabrieb der fahrenden Autos.

Wie sieht es mit Gemüse aus, das ich in Straßennähe anpflanze - ist das unbedenklich?

Bei Gemüse und Kräutern sollte man nach unseren Untersuchungen einen Mindestabstand von 10 Metern zur stark befahrenen Straße einhalten. Damit konnte der Anteil an belasteten Proben von 65 auf 38 Prozent reduziert werden. Auch Hecken sind sinnvoll, die die Verunreinigungen abhalten. 

Warum sind Früchte unbedenklich, Gemüse aber mit Vorsicht zu genießen?

Der Weg von der Wurzel zur Frucht ist lang. Pflanzen lagern Schwermetalle eher in Blättern und Wurzeln ein, also weniger in den Früchten. Weiterhin konnten wir zeigen, dass mit zunehmender Erntehöhe auch weniger Schwermetalle vorkommen. Gemüse, das auf dem Fensterbrett angebaut wird, ist zum Beispiel ab dem zweiten Stock problemlos essbar.

Wo haben Sie besonders belastete Böden gefunden?

Zum einen in Straßennähe. Aber es tauchen auch in den stark vom Krieg zerstörten Innenstädten immer wieder Stellen auf, die durch Bombardierungen belastet sind. Auch an Fassaden sind oftmals bleihaltige Farben verwendet worden, sodass ein Gebäude, das vor Verkehrseinträgen abschirmt, auch wieder zur Schadstoffquelle werden kann. Es ist wichtig, in der Nutzungsgeschichte einer Fläche zu stöbern und nach schadstoffintensiven Vornutzungen zu schauen, zum Beispiel Gewerbe und Handwerke im mischgenutzten Hinterhof der Gründerzeitbauten.

Gibt es ein Unbedenklichkeitszertifikat oder etwas ähnliches, woran ich besonders gute, unbelastete Blumenerde für mein Gemüse erkenne?

Leider gibt es hier keine geeignete Zertifizierung. In Kompostieranlagen landet alles Mögliche - und somit dann auch in der kommerziellen Gartenerde. Hier sollte man auf regionale Hersteller des Vertrauens zurückgreifen. Wie bei so vielem gilt: Woher soll bei Billigware die Qualität kommen? 

Was naschen Sie besonders gerne, wenn Sie mit dem Rad in Berlin unterwegs sind?

Ich sammle mit meinen Kindern besonders gern Nüsse. Beeren aller Art und Steinfrüchte sind auch sofort im Mund. Auch wenn manchmal die Waschmöglichkeiten fehlen. Dann müssen sich alle gedulden. Aber es freut uns alle, wenn wir Bäume und Sträucher in der Stadt finden. So können alte Sorten in Parkanlagen bewahrt werden, die Lebensraum schaffen und Nahrungsquellen für Insekten und Vögel sind. Im 19. Jahrhundert wurden Kirschbäume an Straßen an Anwohner verpachtet und der Gewinn wurde in den Straßenunterhalt gesteckt. Vielleicht wäre das eine Idee, um unseren Straßen in der Stadt wieder mehr Aufenthaltsqualität zu schenken.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Säumel.

Das Interview führte Pia Kollonitsch 

Weitere Beiträge