Internetsucht in jungen Jahren - Wenn zu viel Internet Jugendliche einsam macht

Allein im abgedunkelten Zimmer, stundenlang vor dem Computer und wenige Freunde in der realen Welt. Laut einer Studie der Klinik für Psychosomatische Medizin der Universitätsmedizin Mainz beeinflusst intensiver Konsum von Onlinespielen und Sexportalen die Bindungsfähigkeit von Jugendlichen. Es fällt ihnen schwerer, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen.

Die Welt des Internets und der Computerspiele ist für viele Jugendliche spannend. Die meisten nutzen diese Medien zum Spaß und bekommen keine Probleme damit. Andere Jugendliche sind aber so fasziniert, dass das reale Leben an Stellenwert verliert. Das richtige Maß der Computernutzung zu finden, fällt dann schwer. Die betroffenen Eltern machen sich Sorgen, dass ihr Kind in einem Teufelskreis aus Internetsucht und Einsamkeit landen könnte. Und gerade der Aufbau von Freundschaften gehört zu den wichtigsten Entwicklungsaufgaben des Jugendalters. Doch gehen echte Beziehungen zwischen sozialen Netzwerken wie Facebook und Onlinespielen wie World of Warcraft tatsächlich verloren?

Ein Forscherteam um Professor Dr. Manfred Beutel von der Klinik für Psychosomatische Medizin der Universitätsmedizin Mainz ist dieser Frage in einer Studie von 2015 nachgegangen. Dafür wurden rund 2.400 Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren zu ihren Verhaltensweisen befragt. Eines der zentralen Ergebnisse der Studie: "Jugendliche, die häufig Angebote von Onlinespielen und Sexportalen nutzen, haben eine schlechtere Bindung zu ihren Freunden. Das heißt, sie kommunizieren weniger, vertrauen ihren Freunden nicht so sehr und fühlen sich von anderen stärker entfremdet. All diese Faktoren begünstigen letztlich die soziale Ausgrenzung", sagt Professor Manfred Beutel. Dagegen seien digitale soziale Netzwerke förderlich für die Beziehung und Bindung zu Gleichaltrigen. Aber auch sie könnten zu einem suchtartigen Gebrauch führen, der die Bindung zu Gleichaltrigen negativ beeinflussen könnte. 

Suchtartige Nutzung des Internets

Suchtartig nutzten 3,4 Prozent der befragten Jugendlichen das Internet. Das bedeutet: Sie sind mehr als sechs Stunden täglich online und haben keine Kontrolle mehr über Onlinezeiten. Zudem geben sie ihre Interessen auf und erleiden aufgrund der vielen Zeit vor dem Computer oder am Handy schädliche persönliche, familiäre oder schulische Konsequenzen. 13,8 Prozent zeigten zwar keinen suchtartigen, aber dennoch einen exzessiven und "ausufernden" Gebrauch. Mädchen und Jungen seien davon gleichermaßen betroffen. Während Mädchen das Internet aber häufiger für den sozialen Austausch, zur Recherche und zum Online-Shopping nutzten, verbrachten Jungen mehr Zeit mit Onlinespielen. Zudem stellt Professor Manfred Beutel fest: "Sozial unsichere oder gehemmte Jugendliche wenden sich eher Online-Aktivitäten zu, die weniger Kontakt und Austausch erfordern." Eltern sollten Jugendliche deshalb sowohl in der Entwicklung ihrer Mediennutzung begleiten als auch deren sozialen Umgang im Auge behalten.

Hilfe für Eltern und betroffene Jugendliche

Wo die Grenze zwischen normaler und schädlicher Computernutzung liegt, ist schwer zu bestimmen. Betroffene Eltern sollten auf alarmierende Zeichen achten, mit ihren Kindern darüber ins Gespräch kommen und bei Verhaltensänderungen wie Rückzug überlegen, sich Rat und Hilfe zu holen: zum Beispiel in einer Familien- und Erziehungsberatungsstelle oder in einer Suchtberatungsstelle, wo auch Unterstützung bei problematischer Computerspiel- oder Internetnutzung angeboten wird. Die Beratung ist kostenlos und auf Wunsch anonym. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rät Eltern, aufmerksam zu werden, wenn:
 
- ihr Kind den Computer als Trostspender nutzt oder ihn bei Stress als Regulation einsetzt
- der Stellenwert des Computers wichtiger als die reale Welt wird
- der Computer die Freizeitgestaltung des Kindes hauptsächlich bestimmt

Ernste Anzeichen für eine problematische Computernutzung bestehen, wenn gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen (z.B. ständige Müdigkeit, Haltungsschäden) auftreten, häusliche oder schulische Pflichten vernachlässigt werden, soziale Kontakte verloren gehen oder "zugunsten" des Computers auf sonst übliche Freizeitgestaltung (Sport, Jugendgruppe etc.) verzichtet wird. Auf dem BZgA-Internetportal www.ins-netz-gehen.de finden Jugendliche einen interaktiven Selbsttest, um schnell und unkompliziert zu überprüfen, ob die eigene Computer- und Internetnutzung noch unbedenklich oder bereits auffällig ist. Neben Empfehlungen für eine verantwortungsvolle und risikofreie Nutzung von Online-Angeboten wie sozialen Netzwerken, Chats und Computerspielen gibt es auf dem Portal auch eine Datenbank mit Adressen von Beratungs- und Hilfeeinrichtungen in Deutschland.


Text von Nadine Bader

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